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Interview mit Franz Fehrenbach, Robert Bosch GmbH

„Wenn das Zugehörigkeits­gefühl fehlt, hat Geld als Incentive einen viel zu hohen Stellenwert.“

  • Januar 2017

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Franz Fehrenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, baut gerade in schwierigen Zeiten bewusst auf die Vorteile einer gewachsenen, wertebasierten Unternehmenskultur. Im Interview mit FOCUS erläutert er, warum für die Führungskräfte des größten Automobilzulieferers der Welt finanzielle Anreize keine dominante Rolle spielen.

Focus: Herr Fehrenbach, Bosch ist ein Familienunternehmen mit einer über Jahrzehnte gewachsenen ganz eigenen Wertekultur. Welche Wirkung entfalten gelebte Werte in der gegenwärtigen Krise?

Franz Fehrenbach: Immer mehr Unternehmen erkennen, wie wichtig Werte sind. Gerade jetzt dürfte ihre Bedeutung noch zunehmen. Denn in schwierigen Zeiten entfalten sie eine noch größere Kraft als unter normalen Bedingungen. Man sollte sich aber nicht täuschen. Es braucht Zeit, damit Werte entstehen und mit großer Glaubwürdigkeit gelebt werden können. Viele sehen darin jedoch ein Modethema. Die Unternehmenskultur werde in den kommenden Jahren zur „bedeutendsten Führungstechnik im Personalwesen“, habe ich kürzlich gelesen. Da frage ich mich unwillkürlich: Welche Vorstellung von Unternehmenskultur verbirgt sich hinter einer solchen Äußerung? Wer so denkt, muss sang- und klanglos scheitern. Davon bin ich fest überzeugt.

Focus: Auch aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass viele Unternehmen dieses Thema doch recht halbherzig angehen, weil sie seine Bedeutung unterschätzen. Welche Vorteile haben eigentlich Firmen wie Bosch mit einer starken, gewachsenen Wertekultur?

Fehrenbach: Wir werden ja häufig als konservativ angesehen. Das war vor allem zu den Hochzeiten der Finanzjongleure und der Shareholder-Value-Bewegung so. Unser Vorteil besteht aber darin, dass wir Moden nicht mit Fortschritt verwechseln. Wir haben eine klare Ausrichtung. Wir zeichnen uns durch eine hohe Konsequenz und Permanenz aus. Aber wir müssen auch immer wieder nachweisen, dass unser Unternehmensmodell erfolgreich ist.

Focus: Beruht dieser Erfolg auch darauf, dass Bosch ein Familien- und Stiftungsunternehmen ist?

Fehrenbach: Ja, definitiv. Die Familie ist in dritter Generation mit Christof Bosch und Matthias Madelung in verschiedenen Kontrollorganen präsent. Das Unternehmen hat also ein Gesicht und eine Herkunft – und was ebenfalls ganz wichtig ist: Die CEOs bei Bosch wechseln nicht alle fünf Jahre. Das heißt: Das Unternehmen wird ganz stark durch Personen verkörpert. Die Mitarbeiter können sich mit dem Unternehmen und seinen Führungspersonen deshalb sehr gut identifizieren. Sie haben das Gefühl, bei uns gut aufgehoben zu sein.

Focus: Was machen Unternehmen falsch, in denen dieses Zugehörigkeitsgefühl fehlt?

Fehrenbach: In vielen Firmen, in denen es fehlt, hat Geld als Incentive einen viel zu hohen Stellenwert. Das sind für mich Strohfeuer, die schnell verglühen.

Focus: Welches sind die primären Werte bei Bosch, und unterliegen diese nicht auch einem Wandel?

Fehrenbach: Viele unserer Werte, Einsichten und Prinzipien gehen unmittelbar auf Robert Bosch zurück. Es sind alte Werte wie Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und Legalität. Ihre Bedeutung haben wir noch einmal betont, um unsere unternehmerische und gesellschaftliche Verantwortung zu verdeutlichen. Wir haben aber unseren Wertekanon Ende der neunziger Jahre auf den Prüfstand gestellt und gefragt: Was gilt noch? Welche Handlungsmaximen müssen hinzukommen, um das Unternehmen zu modernisieren und auf die Erfordernisse der Zukunft auszurichten? Das alles war ein aufwendiger Prozess. Die Geschäftsführung ist auch an Wochenenden und Feiertagen mit dem Thema in Klausur gegangen. Aber dieser gemeinsame Entwicklungsprozess hat zur Folge, dass heute jeder meiner Kollegen nur so sprüht, wenn er über die Inhalte unseres Wertekodexes spricht. Diese Überzeugung und Begeisterung halte ich für extrem wichtig. Natürlich gab es auch skeptische Stimmen, die davor warnten, unsere Werte zu Papier zu bringen, denn daran könne man uns dann messen. Doch genau das wollten wir, das war der Zweck unserer Arbeit.

„Für uns bedeutet Ertragsorientierung, das Unternehmen langfristig abzusichern.“

Focus: Und was waren die wichtigsten Veränderungen gegenüber den Gründungsmaximen?

Fehrenbach: Nicht von ungefähr haben wir heute die Zukunfts- und Ertragsorientierung an die erste Stelle gesetzt. Wir meinen damit nicht kurzfristige Gewinnmaximierung. Für uns bedeutet Ertragsorientierung, das Unternehmen langfristig abzusichern. Das ist ungleich schwieriger, als den Gewinn kurzfristig zu maximieren. Wir wollen den langfristigen, dauerhaften Erfolg. Dieser unternehmerischen Herausforderung stellen wir uns.

Focus: Sie sind in den vergangenen Jahren in noch größere, globale Dimensionen gewachsen. Hat dieses weltweite Wachstum nicht auch Einfluss auf Ihren Wertekanon?

Fehrenbach: Bei inzwischen weltweit rund 280000 Mitarbeitern ist eine zentrale Steuerung kaum mehr möglich. Wir sind in hohem Maße darauf angewiesen, dass unsere Mitarbeiter aus eigener Initiative handeln und unsere Ziele konsequent verfolgen. Initiative und Konsequenz sind daher Eigenschaften, die bei Bosch ebenfalls oben im Wertekanon stehen. Uns war klar, dass wir kleinere Geschäftseinheiten bilden und das Thema „Unternehmerisches Denken“ forcieren mussten. Ein solcher Wertewandel lässt sich aber nicht von heute auf morgen vollziehen. Wir haben auch noch nicht überall den Stand erreicht, den wir uns wünschen.

Focus: Der Kulturwandel bei Bosch ist Ihnen offenbar eine Herzensangelegenheit?

Fehrenbach: Ja, das kann man so sagen. Wie schon erwähnt, begann der Wandel bereits Ende der neunziger Jahre. Da gab es in der Geschäftsführung eine Kerntruppe, die das Thema geliebt und vorangetrieben hat. Und dazu gehörte ich. Mich hat schon in den achtziger Jahren beschäftigt, dass wir sehr technik- und zu wenig kundenorientiert waren. Schnelligkeit war bei uns nicht wichtig. Mein Vorgänger Hermann Scholl hat dann in den neunziger Jahren ein entsprechendes Feedback von unseren Kunden aufgegriffen. „Wir unternehmen den Wandel“, lautete sein Motto. Ich habe das Thema weiter vorangetrieben und meine Stärken eingebracht.

Focus: Wo sehen Sie diese?

Fehrenbach: Vor allem lege ich sehr viel Wert auf Kommunikation. Bosch war früher in der Öffentlichkeitsarbeit sehr zurückhaltend. Inzwischen decken wir das Bedürfnis nach interner und externer Kommunikation ganz anders ab als in der Vergangenheit. Für mich hat der Dreiklang von Kommunikation, Werten und Glaubwürdigkeit eine sehr hohe Bedeutung.

Focus: Sie haben 1968 Abitur gemacht. Wie haben diese bewegten Zeiten Ihre Einstellungen, Ihre Arbeit und Ihren Führungsstil geprägt?

Fehrenbach: Als junger Mensch war ich Großunternehmen gegenüber äußerst kritisch eingestellt. Aber als ich zu Bosch kam, habe ich mich bald voll mit dem Unternehmen identifiziert. Mich überzeugte insbesondere die praktizierte Gewinnverwendung, und ich wollte vorankommen und zum Unternehmenserfolg beitragen. Personalfachleute würden das intrinsische Motivation nennen. Diese Überzeugung, dieses Brennen, das mich antreibt, möchte ich an die Mitarbeiter weitergeben. Ich glaube, dies ist eines der wichtigsten Elemente bei der Frage: Wie führt Franz Fehrenbach? Für mich hat Führung ganz stark damit zu tun, dass und wie ich Menschen überzeugen und begeistern kann.

Focus: Wie schaffen Sie es, Ihre Werte und Überzeugungen weltweit in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern?

Fehrenbach: Wir führen alle zwei Jahre weltweit eine Mitarbeiterbefragung durch. Themen sind die Wertekultur von Bosch, die Ziele des Unternehmens, unsere Strategie. Das Ergebnis der letzten Umfrage war für mich sehr beeindruckend. Wir hatten auch im Ausland eine Rücklaufquote von mehr als 80 Prozent. Zugleich war dort das Interesse am Thema „Werte“ enorm. Schließlich gaben im Inland wie im Ausland mehr als vier Fünftel der Befragten an, stolz darauf zu sein, bei Bosch zu arbeiten. Das bestärkt mich darin, dass unsere Unternehmenskultur auch im Ausland gelebt wird. Sie hat dort einen ebenso großen Stellenwert wie in Deutschland.

Focus: Wie gehen Sie konkret vor, wenn Sie die Bosch-Werte in Schwellenländer wie China und Indien transferieren?

Fehrenbach: Das ist in der Tat eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt und natürlich hat die Geschäftsführung eine Vorbildfunktion. Immer, wenn wir einen Standort besuchen, veranstalten wir ein großes Townhall Meeting. Das hat den Vorteil, dass man viele Leute erreicht. Aber die Distanz zu den einzelnen Mitarbeitern ist relativ groß. Wir haben deshalb eine zweite Kommunikationsform entwickelt, die wir Dialog-Forum nennen. An jedem Standort, den wir besuchen, können sich die ersten 25 Mitarbeiter, die sich melden, mit dem Geschäftsführer zusammensetzen. Das sind kleine Runden, in denen ein intensiver Gedankenaustausch möglich ist.

Focus: Welche Rolle beim Wertetransfer spielen deutsche Führungskräfte, die für Bosch im Ausland arbeiten?

Fehrenbach: Sie spielen eine besonders wichtige Rolle. Mitarbeiter und Führungskräfte, die in Deutschland groß geworden sind und wissen, wie Bosch tickt, müssen bereit sein, in den Wachstumsländern zu arbeiten und als Multiplikatoren zu wirken. Diese Mobilität erwarten wir ganz einfach. Derzeit sind mehr als 2500 Bosch-Mitarbeiter außerhalb ihres Heimatlandes tätig.

„Für mich hat der Dreiklang von Kommunikation, Werten und Glaubwürdigkeit eine sehr hohe Bedeutung.“

Focus: Und inzwischen sind etwa 60 Prozent aller Mitarbeiter im Ausland stationiert. Ist Bosch unter diesen Bedingungen überhaupt noch ein deutsches oder schon ein internationales Unternehmen?

Fehrenbach: Ein internationales Unternehmen sind wir schon seit langem. Wir werden aber immer unsere deutschen Wurzeln behalten und bekennen uns auch dazu. In einigen Märkten ist zum Beispiel die Legalität ein schwieriges Thema. Wir machen da aber keine Kompromisse, für uns gibt es keine Graubereiche.

Focus: Stimmt es übrigens, dass die Loyalität Ihrer Führungskräfte überdurchschnittlich hoch ist?

Fehrenbach: Ja, die Fluktuation bei den Führungskräften vom Abteilungsleiter aufwärts liegt in Deutschland bei unter einem Prozent. In China und Indien sieht das etwas anders aus, weil die Wechselwilligkeit der Führungskräfte dort allgemein größer ist. Doch schneiden wir auch dort deutlich besser ab als der Durchschnitt der Industrie. Das heißt: Offensichtlich gelingt es uns im In- wie im Ausland besser als anderen Unternehmen, unsere Führungskräfte zu binden.

Focus: Womit motivieren Sie Ihre Führungskräfte denn?

Fehrenbach: Neben der sehr ausgeprägten intrinsischen Motivation unserer Führungskräfte, die sich gerade auch durch die sehr geringe Fluktuationsrate im Managementbereich belegen lässt, spielt die Führung eine erhebliche Rolle. Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und klare Spielregeln, innerhalb derer unsere Manager sich frei bewegen können, sind hier von großer Bedeutung. Unsere Leitlinien der Führung geben hierzu den notwendigen Rahmen.

Focus: Bosch rekrutiert bisher keine Führungskräfte von außen für das Top-Management. Könnte sich das in Zukunft ändern?

Fehrenbach: Ich möchte das nicht grundsätzlich ausschließen, aber es wäre für einen Externen ein schwieriger Einstieg. Wir haben nun einmal eine einmalige Kultur, die man schon eine ganze Weile leben und erfahren muss, um darin zurechtzukommen. Ich sage deshalb: Ja, wir wollen Blutzufuhr von außen, aber es muss nicht gleich auf der Top-Ebene sein. Einen Einstieg sehe ich eher im mittleren bis oberen Management. Führungskräfte sollten die Chance haben, sich über ein paar Jahre zu entwickeln und zu prüfen, ob sie zu Bosch passen.

Focus: Wie spiegelt sich die Unternehmenskultur in der Gehaltspolitik von Bosch wider?

Fehrenbach: Sie werden sich vielleicht wundern, aber ich persönlich habe in 34 Jahren bei Bosch noch nie ein Gespräch über eine Gehaltserhöhung geführt. Und ich bin kein Einzelfall, es gibt viele ähnliche Beispiele. Unsere Mitarbeiter und Führungskräfte wissen, dass sie fair honoriert werden. Finanzielle Anreize spielen bei uns insgesamt keine dominante Rolle. Andere Aspekte sind wichtiger, zum Beispiel wie bei Bosch die berufliche Entwicklung gefördert wird oder wie man Beruf und Familie vereinbaren kann.

Focus: Um für Top-Talente attraktiv zu sein, sind doch aber gewisse finanzielle Anreize unabdingbar. Wie liegen die Vergütungen von Bosch im Branchenvergleich?

Fehrenbach: Die Tarifmitarbeiter werden entsprechend dem mit der IG Metall ausgehandelten Tarifvertrag bezahlt, und unsere Führungskräfte zahlen wir marktgerecht. Die stehen sich dabei – das zeigen unsere Vergleiche mit anderen Unternehmen – ganz gut. Im Kreis unserer Führungskräfte sind die Vergütungen jedenfalls kein Thema. Je höher allerdings eine Position bei uns angesiedelt ist, desto größer ist der Abstand zu den Spitzenverdienern der Branche. Die Geschäftsführer von Bosch etwa befinden sich – gemessen an den DAX-Unternehmen – ganz am Ende des Spektrums. Trotzdem kann ich Ihnen versichern, dass keiner meiner Kollegen darüber nachdenkt zu wechseln, nur weil er irgendwo anders mehr verdienen könnte. Sie wissen, was sie an dem Unternehmen haben und sie können von ihrem Gehalt gut leben. Auch von unserem Betriebsrat habe ich noch nie Klagen über zu hohe Managergehälter bei Bosch gehört.

Focus: Was zeichnet die Reward-Kultur von Bosch im Detail aus? Inwiefern spielt der Faktor Nachhaltigkeit hier eine Rolle?

Fehrenbach: Unser Grundsatz heißt faire Entlohnung für gute Leistung. Dazu gehören ein marktgerechtes Grundentgelt und eine angemessene leistungs- und erfolgsabhängige variable Vergütungskomponente. Dieses System findet bei uns weltweiten Einsatz und wird immer wieder überprüft. Bei den Grundeinkommen prüfen wir jährlich weltweit den Markt und nehmen dann gegebenenfalls Anpassungen vor. Dabei ist auch die interne Gerechtigkeit zwischen den verschiedenen Einkommensstufen von großer Bedeutung, damit das Ganze als fair empfunden wird.
Die variable Vergütung bemisst sich einerseits kurzfristig daran, ob und wie Führungskräfte die mit ihnen vereinbarten Ziele im Planjahr erreichen. Unsere rund 350 Top-Führungskräfte erhalten darüber hinaus einen Langzeitbonus, der am langfristigen Erreichen der Renditeziele der Bereiche ausgerichtet ist. Diese sind aus externen Benchmarks abgeleitet und gelten für einen rollierenden Drei-Jahres-Zeitraum. Diese Systematik gilt weltweit, bemisst sich an den kurz- und langfristigen Unternehmenszielen und verhindert Fehlsteuerungen, wie wir sie in der Wirtschaft allgemein in den letzten Jahren viel zu häufig beobachten konnten.

Focus: In vielen Großunternehmen stellt sich die Lage ganz anders dar. Jahresgehälter in zweistelliger Millionenhöhe und die hohen Bonuszahlungen im Bankensektor stoßen in der Öffentlichkeit auf breite Kritik. Sind die Dinge aus dem Ruder gelaufen? Ist eine Rückbesinnung auf den „gesunden Menschenverstand“ nötig?

Fehrenbach: Im Bankensektor ist das wohl so, und mir scheint, dass die entsprechenden Vergütungsmodelle noch gar nicht wirklich auf den Prüfstand gestellt worden sind. Stattdessen wird diskutiert, ob der Staat in Deutschland die Managergehälter regulieren soll. Viel besser fände ich es, wenn die Banken gemeinsam adäquate Vergütungs- und Anreizsysteme entwickelten und sich im Rahmen einer verbindlichen Selbstverpflichtung darauf festlegten. Viele Fehlentwicklungen sind aus meiner Sicht darauf zurückzuführen, dass die deklarierten Werte insbesondere an der Spitze der Unternehmen häufig nicht wirklich gelebt werden.

Focus: Müssten sich nicht Unternehmen wie Bosch stärker in die Diskussion einmischen und auch auf die Politik zugehen?

Fehrenbach: Wir beziehen da schon Position. Ich habe zum Beispiel im vergangenen Jahr eine Rede vor dem CDU-Wirtschaftsrat in Berlin gehalten und unser Geschäftsmodell vorgestellt. Da ist mir klar geworden, wie intensiv sich die Politik mit dieser Thematik beschäftigt. Das Umdenken in der Wirtschaft hat jedoch begonnen, wie ich meine, und ich setze große Hoffnungen auf die junge Generation. Ich habe kürzlich vor 500 Studenten der Betriebswirtschaftslehre in München referiert und einen Ausspruch von Robert Bosch aus dem Jahr 1921 zitiert: „Die anständige Art der Geschäftsführung ist auf Dauer die einträglichste.“ Die Studenten haben spontan applaudiert. Wahrscheinlich wird aber der nötige Wandel einige Zeit in Anspruch nehmen, weil viele Großunternehmen sich schwer damit tun, ihre Kultur wieder zum Positiven zu verändern.

„In schwierigen Zeiten entfalten Werte eine noch größere Kraft als unter normalen Bedingungen.“

Focus: Bosch hat sich in den ersten fünf Jahren unter Ihrer Führung sehr erfolgreich entwickelt. Umsatz und Ergebnis sind deutlich gestiegen. Laut Planung sollte der Umsatz bis 2012 auf 75 Milliarden Euro wachsen. Lässt sich dieses Ziel angesichts der Krise noch halten?

Fehrenbach: Nein, wir werden unser Ziel nicht erreichen, weil die Umsatzentwicklung infolge der Krise zumindest noch bis in das Jahr 2010 hinein schwach bleiben wird. Sobald sich die Verhältnisse jedoch normalisiert haben, wird unverändert eine Zielmarke von acht Prozent Wachstum pro Jahr gelten. Denn der Wert von 75 Milliarden Euro hat sich ja dadurch ergeben, dass wir diese Zielmarke für das jährliche Wachstum hochgerechnet haben. Zwei Drittel davon wollen wir erreichen, indem wir organisch wachsen, ein Drittel durch Akquisitionen und indem wir neue Märkte erschließen. Wir haben gesagt, wir müssen stärker wachsen als der Markt, weil wir nur so unsere Position verbessern können.

Focus: Wie stellen Sie sich auf die Krise ein? Welche Einsparungen planen Sie?

Fehrenbach: Wir wollen ohne drastische Einschnitte beim Personal auskommen. Vor allem in Deutschland bin ich zuversichtlich, dass dies dank der flexiblen Arbeitszeitinstrumente gelingen kann. Allgemein müssen wir einen schwierigen Spagat zwischen Sparen und wichtigen Investitionen für die Zukunft leisten.

Focus: Bei den hohen Aufwendungen für die Forschung und Entwicklung soll also nicht gespart werden?

Fehrenbach: Wir haben im vergangenen Jahr etwa acht Prozent des Umsatzes in die Forschung und Entwicklung gesteckt, im Bereich Kraftfahrzeugtechnik waren es sogar zwölf Prozent. Das ist tatsächlich ein hoher Wert, und den wollen wir in diesem Jahr halten. Abstriche bei den Zukunftsinvestitionen gibt es nicht. Das gilt ebenfalls für den Ausbildungsbereich. Wir werden auch in diesem Jahr unsere Kapazitäten voll ausschöpfen und weltweit mehr als 6000 junge Menschen ausbilden.

Focus: Wie vermitteln Sie Ihre Pläne, Zielvorgaben aber auch mögliche Einschnitte angesichts der Krise?

Fehrenbach: Gerade in schwierigen Zeiten ist glaubwürdige Kommunikation unabdingbar. Es kommt darauf an, den Tatsachen ins Auge zu blicken und die Lage schonungslos zu analysieren. Zugleich gilt es aber, Zuversicht zu vermitteln. Nur dann kann das Team seine Leistung abrufen. Insbesondere die interne Kommunikation spielt da eine ganz große Rolle, und wir werden nicht nachlassen, sondern im Gegenteil unsere Aktivitäten wie schon in den vergangenen Jahren verstärken.

Das Interview mit Franz Fehrenbach in Stuttgart führten Jörg Ritter (links), Egon Zehnder, Berlin, und Heiko Wolters, Egon Zehnder, Stuttgart.

Franz Fehrenbach

Franz Fehrenbach wurde am 1. Juli 1949 in Kenzingen im nördlichen Breisgau geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1968 studierte er an der Universität Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen. 1975 legte er das Examen zum Diplom-Wirtschaftsingenieur ab. Im selben Jahr trat Fehrenbach als Trainee in die Robert Bosch GmbH ein.
Der Manager war Abteilungsleiter in der Auftrags- und Lieferplanung im Lichtwerk Stuttgart (1978), kaufmännischer Betriebsleiter im Werk Hildesheim (1980) und Hauptreferent der Zentralabteilung Wirtschaftsplanung und Controlling (1982). 1985 ging Fehrenbach in die USA und arbeitete als kaufmännischer Werkleiter der Bosch Automotive Group, 1988 wurde er in die Geschäftsführung dieser Firma berufen. 1989 kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm leitende Positionen in verschiedenen Bereichen, bevor er 1999 zum stellvertretenden Geschäftsführer und 2001 zum Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH ernannt wurde. Am 1. Juli 2003 wurde Fehrenbach als Nachfolger von Herrmann Scholl zum Vorsitzenden der Geschäftsführung berufen. Er ist erst der sechste Chef in der 123-jährigen Geschichte des Unternehmens.
Fehrenbach gilt als konziliant im Umgang, aber durchaus hart in der Sache, gerade auch wenn es um die Verfolgung von Renditezielen geht. Unter ihm ging das einstmals verschlossene Unternehmen zu einer offenen internen und externen Kommunikationspolitik über. Franz Fehrenbach ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne.

ROBERT BOSCH GMBH Bremsen, Bohrmaschinen, Blockkraftwerke

Im Jahr 1886 eröffnete Robert Bosch (1861–1942) mit zwei Mitarbeitern in Stuttgart die Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik. Heute ist die Robert Bosch GmbH ein multinationales Unternehmen und der weltweit größte Autozulieferer. Der Konzern beschäftigte im Jahr 2008 rund 280000 Mitarbeiter (40 Prozent davon in Deutschland) und erwirtschaftete einen Umsatz von etwa 45 Milliarden Euro. Die Gruppe umfasst über 300 Tochter- und Regionalgesellschaften in mehr als 50 Ländern. Größter Geschäftsbereich von Bosch ist mit einem Umsatzanteil von etwa 60 Prozent die Kraftfahrzeugtechnik. Es folgen die Industrietechnik (Automatisierungs- und Verpackungstechnik) sowie der Bereich Gebrauchsgüter und Gebäudetechnik. Zunehmend engagiert sich Bosch überdies bei den erneuerbaren Energien (Wärmepumpen, Windkraft, Solarenergie). Nicht zuletzt das Wachstum in diesem Sektor wird dazu führen, dass der Anteil der Kraftfahrzeugtechnik mittelfristig auf 50 Prozent zurückgehen wird.
In den ersten fünf Jahren unter der Führung von Franz Fehrenbach hat sich Bosch äußerst positiv entwickelt. Der Umsatz stieg von 35 auf rund 46 Milliarden Euro, die Rendite vor Steuern verdoppelte sich auf acht Prozent. Doch auch Bosch muss der augenblicklichen globalen Wirtschaftskrise Tribut zollen: Erstmals seit 1945 rechnet das Unternehmen im laufenden Jahr mit einem Verlust.

FOTOS: RÜDIGER NEHMZOW

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