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Vom Imagefaktor zum Geschäftsprinzip

Wie die Verankerung des Nachhaltigkeits­prinzips für Unternehmen zu einem lohnenden Unterfangen wird

  • Januar 2017

Unternehmen, die Nachhaltigkeit zum Geschäftsprinzip erhoben haben, erweisen sich nicht zufällig als besonders resilient. Ökologisch effizientes und verantwortungsbewusstes Handeln hilft ihnen, Kosten zu senken und Risiken zu begrenzen – und stärkt direkt ihren wirtschaftlichen Erfolg. Auch in Deutschland erkennen dies immer mehr Firmen und bringen Nachhaltigkeitsinitiativen in Gang, die das gesamte Unternehmen umfassen. Die verantwortlichen Manager und ihre Teams stehen vor der Mammutaufgabe, ein neues Denken im Unternehmen zu verankern. Erfahrungen internationaler Firmen, die den Prozess erfolgreich gemeistert haben, zeigen, worauf es dabei ankommt.

IN VIELEN amerikanischen Unternehmen ist es längst mehr als ein Versprechen, in Deutschland steht sein wahrer Durchbruch erst bevor: Das Prinzip der Nachhaltigkeit gilt immer mehr Firmen als elementar für einen tragfähigen Geschäftserfolg. Nachhaltig zu wirtschaften heißt für sie, verantwortungsvoll und vorausschauend zu handeln. Es bedeutet zudem, die natürlichen Ressourcen so zu nutzen, dass sie auch in Zukunft als Grundlage für Wachstum und Wohlstand erhalten bleiben.

Ob ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet oder nicht, entscheidet demnach mit darüber, wie erfolgreich es ist und ob es langfristig überleben wird. In der Tat erweisen sich jene Unternehmen als besonders widerstandsfähig oder resilient, die Nachhaltigkeit als Voraussetzung ihres wirtschaftlichen Erfolgs ansehen. Diese Firmen haben „sustainability“ zum Geschäftsprinzip erhoben. Sie setzen strategische und erfolgsrelevante Nachhaltigkeitsinitiativen in die Tat um. So etwa General Electric: Der Konzern treibt seit einigen Jahren unter dem Titel „Ecomagination“ sehr öffentlichkeitswirksam umweltverträgliche und zugleich profitable Innovationen voran. Oder Marks and Spencer: Der britische Einzelhandelskonzern will bis 2015 zum weltweit nachhaltigsten Unternehmen seiner Branche werden und verspricht sich von seinem ambitionierten Nachhaltigkeitsprogramm „Plan A“ auch wirtschaftlich Erfolge.

Dass nachhaltiges Wirtschaften nicht nur dem Image nützt, sondern ganz unmittelbar den Geschäftserfolg mehren kann, erkennen auch in Deutschland immer mehr Unternehmen. Nachhaltigkeit, so stellt die GfK fest, ist ein bedeutender Trend. Nirgends ist das so deutlich wie im Bereich der Fast Moving Consumer Goods: Hier wächst das Bio-Segment seit Jahren und erreichte selbst in Zeiten der Wirtschaftskrise Umsatzzuwächse. Im Markt der Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel etwa stieg der Absatz grüner Produkte von 2008 bis 2009 laut GfK um 29 Prozent.

Konsumenten treiben den Trend

Haupttreiber des Trends sind fraglos die informierten Verbraucher. Es verwundert daher nicht, dass quer durch die Branchen immer mehr Unternehmen mit der Nachhaltigkeit Ernst machen. So etwa hat die Metro-Gruppe jüngst einen Nachhaltigkeitsrat eingerichtet, der konzernweite Nachhaltigkeitsprogramme steuern soll. Puma verfolgt ähnlich ehrgeizige Ziele und hat sich vorgenommen, zum „nachhaltigsten Sportkonzern der Welt“ zu werden. Konzernchef Jochen Zeitz dürfte dabei nicht zuletzt die wachsende Kundengruppe der sogenannten LOHAS im Blick haben: Käufer, die einen „Lifestyle of Health and Sustainability“ verfolgen.

Ein weiterer Grund treibt den Trend zum nachhaltigen Wirtschaften an: Mit ökologischer Effizienz und verantwortungsbewusstem Handeln lassen sich nachweislich realwirtschaftliche Kosten senken. Es lohnt sich darüber hinaus, durch nachhaltiges Handeln Risiken – von Umweltgefährdungen bis zur Bilanzfälschung – vorzubeugen, die hohe Kosten nach sich ziehen können. Aktuelle negative Beispiele lassen sich in der Ölindustrie oder bei Spielzeugherstellern finden.

Gründe genug, das Thema Nachhaltigkeit organisatorisch wirkungskräftig im Unternehmen zu verankern. Doch wie setzt man diesen Veränderungsprozess in Gang und führt ihn zum Erfolg? Egon Zehnder hat darüber mit führenden Nachhaltigkeitsverantwortlichen in Europa wie in Nord- und Südamerika gesprochen. Begleitend hat unsere globale Sustainability-Beratungsgruppe Untersuchungen durchgeführt. Der Aufbauprozess lässt demnach drei klar gegliederte Phasen erkennen (siehe Abbildung). Von der verantwortlichen Führungskraft – da die Aufgabe in unterschiedlichsten Funktionen übernommen werden kann, bezeichnen wir sie im Folgenden der Einfachheit halber als Nachhaltigkeitsmanager – und von ihrem Team verlangt jede dieser Phasen spezifische Fähigkeiten in unterschiedlicher Kombination und ein bestimmtes Maß an organisatorischer Kompetenz. Daraus folgt: Unternehmen, die die einzelnen Phasen verstehen, für jede Phase die richtigen Nachhaltigkeitsexperten berufen und die richtigen Teams zusammenstellen, werden raschere Erfolge verzeichnen – wobei nicht zwangsläufig die gesamte Organisation hierbei im Gleichklang sein muss. Einzelne Bereiche, Abteilungen oder auch Länderorganisationen können sich durchaus in unterschiedlichen Phasen des Prozesses befinden und ihn unterschiedlich schnell durchlaufen.

Phase 1: Überzeugungsarbeit

Nachhaltigkeitsmanager benötigen ein breites Spektrum von Führungsqualitäten. Dabei erfordert jede der drei Phasen eine spezifische Kombination von Kompetenzen. In der Anfangsphase ist das Unternehmen noch kaum oder gar nicht auf nachhaltiges Wirtschaften eingestellt. Daher braucht der Nachhaltigkeitsmanager hier vor allem die Fähigkeit, Veränderungen durchzusetzen. Er sollte zudem eine ausgeprägte Teamfähigkeit besitzen. Diese Eigenschaften sind deshalb so wichtig, weil es im Unternehmen anfangs kein einheitliches Verständnis davon gibt, was nachhaltiges Wirtschaften bedeutet. Meist ist sich ein Teil der Führungskräfte nicht bewusst, welche Chancen Nachhaltigkeit für das Unternehmen eröffnet. Manche mögen darin nur eine lästige Reglementierung unternehmerischen Handelns sehen oder halten das Thema für wirtschaftlich irrelevant. Der Nachhaltigkeitsmanager muss fähig sein, derartige Widerstände abzubauen. Dazu muss er nicht zuletzt eine überzeugende Vision entwickeln und sich die Zustimmung führender Meinungsbildner im Unternehmen sichern können.

Das Team des Nachhaltigkeitsmanagers muss in dieser Phase aktiv auf andere zugehen, genau zuhören und überlegt argumentieren, um Unwissende ins Boot zu holen und auch Skeptiker zu überzeugen. Dass die Team-Mitglieder meist aus unterschiedlichen Sparten und Funktionen kommen, ist dabei durchaus von Vorteil. Ist im Unternehmen ein Konsens über den Handlungsbedarf erreicht, muss dieser abgesichert werden. Dazu muss das Team fähig sein, Gespräche auf höchster Management-Ebene herbeizuführen und diese mit seiner Expertise zu unterstützen.

Über Bereiche und Hierarchie-Ebenen hinweg müssen der Nachhaltigkeitsmanager und sein Team immer wieder den wirtschaftlichen Nutzen der anstehenden Veränderungen hervorheben. Ist das Team mit seiner Überzeugungsarbeit erfolgreich, lässt das Unternehmen die anfängliche „unbewusste Reaktivität“ hinter sich: Es hat die Problematik erfasst und der Vorstand steht hinter der Nachhaltigkeitsstrategie. Eine „bewusste Reaktivität“ ist erreicht – und damit die Schwelle zu Phase 2.

Phase 2: Die praktische Umsetzung

Die Aufgabe des Nachhaltigkeitsmanagers besteht nun darin, die Zusagen der Geschäftsleitung in ein umfassendes Change-Programm mit klar definierten Initiativen und Zielen umzusetzen. Er muss verstehen, wie sich so unterschiedliche Faktoren wie Kohlendioxidpreise, Ressourcenknappheit oder gesellschaftliche Trends auf das Unternehmen auswirken, und jederzeit in der Lage sein, deren Bedeutung für den Geschäftserfolg zu erläutern. Ist das Unternehmen in dieser Phase zunächst noch auf einzelne Initiativen zur Kosten- oder Risikosenkung fokussiert, so konzentriert sich der Nachhaltigkeitsmanager bereits darauf, diese Aktivitäten in einen umfassenderen strategischen Kontext einzubetten. Da inzwischen greifbare finanzielle, ökologische und gesellschaftliche Zielgrößen festgelegt sind, können die Initiativen fortlaufend überprüft und angepasst werden. Damit kann der Nachhaltigkeitsmanager nun beginnen, die operative Verantwortung schrittweise zu delegieren. So nehmen etwa die Spartenchefs die Messgrößen für Nachhaltigkeit in ihr Instrumentarium zur Beurteilung der Performance auf.

Die leistungs- und ergebnisorientierte Kompetenz des Nachhaltigkeitsmanagers wird in dieser Phase durch die Resilienz seines Teams gestärkt, das sich von Widerständen nicht beirren lässt. Es entwickelt und implementiert Nachhaltigkeitsinitiativen, die auf messbare Ergebnisse abzielen. Dabei hält es auch dauerhaftem innerem und äußerem Druck stand und geht, wenn nötig, überlegte Kompromisse ein, um seine Ressourcen optimal einzusetzen und unnötigen Aufwand zu minimieren. Auf diese Weise werden schließlich im gesamten Unternehmen Nachhaltigkeitsinitiativen mit klaren wirtschaftlichen Zielen etabliert. Das Unternehmen reagiert jetzt nicht mehr nur auf Nachhaltigkeitsanforderungen, sondern nutzt sie aktiv als Hebel zur Risikobewältigung und Wertschöpfung. Es hat Phase 3 erreicht.

Phase 3: Veränderung der Wettbewerbslandschaft

Nachhaltigkeit ist zu einem Kernwert des Unternehmens avanciert. Jetzt geht es darum, die vielfältigen Initiativen und Entwicklungen auf einen Nenner zu bringen und sie in einer kohärenten Nachhaltigkeitsstrategie zu vereinen. Um Letztere wiederum mit der übergeordneten Unternehmensstrategie in Einklang zu bringen, sind Kompromisse meist unumgänglich.

Der Nachhaltigkeitsmanager benötigt in dieser Phase vor allem strategisches Denken, denn er übernimmt nun die Rolle des Zukunftsplaners. Er kümmert sich um langfristige Investitionen und Partnerschaften, die neue Stärken des Unternehmens fördern, und sorgt dafür, dass Richtungsänderungen in der Geschäftsplanung operativ umgesetzt werden. Gleichzeitig arbeitet er daran, im gesamten Unternehmen Best Practices zu verankern, um die Verantwortung für mehr Nachhaltigkeit von der Führungsebene bis auf die Linie ausdehnen zu können. Gelingt ihm dies, gewinnt er Freiraum und kann sich stärker darauf konzentrieren, die Wettbewerbslandschaft in der Branche so zu beeinflussen, dass die hinzugewonnenen Stärken des Unternehmens besser zur Geltung kommen. Das Nachhaltigkeitsteam ist in dieser Phase in strategische Nachhaltigkeitsinitiativen, Investitionen und Partnerschaften eingebunden. Da nun alle Aspekte der Geschäftstätigkeit, ja die gesamte langfristige Strategie nachhaltig auszurichten sind, benötigt das Team eine umfassende Offenheit, auch über die Grenzen des Unternehmens hinaus. Unerlässlich ist dabei ein klarer gemeinsamer Fokus, zumal nun immer vielfältigere Teams in die Umsetzung der Nachhaltigkeitsinitiativen eingebunden sind.

Mit all dem hat sich das Unternehmen zum Abschluss der Phase 3 grundlegend verändert. Es agiert in Sachen Nachhaltigkeit nunmehr „unbewusst proaktiv“. Nachhaltigkeit leitet sein Handeln von innen heraus. Sie ist fest in seinen Geschäftsprozessen verankert und bestimmt auch seine langfristige Strategie.

In Deutschland haben bisher nur wenige Unternehmen diesen Stand erreicht. Die meisten befinden sich unserer Einschätzung nach in Phase 2. Wie oben angeführt, müssen sich nicht zwangsläufig alle Teile eines Unternehmens stets in der gleichen Phase befinden oder die einzelnen Phasen in der gleichen Geschwindigkeit durchlaufen. Doch der Prozess gewinnt an Dynamik. Dafür spricht nicht zuletzt, dass auch hierzulande zunehmend mehr Firmen die Position eines Chief Sustainability Officers (CSO) einrichten und sie mit strategischen Kompetenzen ausstatten. Das gilt zum Beispiel für Siemens, wo das für Supply Chain Management zuständige Vorstandsmitglied die Funktion des CSO übernimmt und dabei auch für das Marketing des sektorübergreifenden Umweltportfolios zuständig ist – wohlgemerkt auf globaler Gesamtvorstandsebene.

Unserer Erfahrung nach erachten Vorstände und CEOs Nachhaltigkeitsfragen heute mehr und mehr als strategisch und erfolgsrelevant. Auch als wichtiges Element für die Gewinnung der neuen High-Potential-Generation stellt Sustainability einen Schlüsselfaktor dar. Kein Zweifel: Der Trend ist nicht mehr aufzuhalten. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen gut beraten, sich darüber klar zu werden, welchen Stellenwert Nachhaltigkeit für sie hat. Jene, die darin einen wichtigen Werttreiber sehen, die einen CSO berufen und Nachhaltigkeitsprogramme in Gang gesetzt haben, gehören zweifellos zu den Vorreitern. Angekommen sind auch sie noch nicht. Denn erst, wenn alle Mitarbeiter im Unternehmen das Prinzip Nachhaltigkeit verinnerlicht haben und täglich danach handeln, ist das Ziel erreicht. Der CSO wird dann so selbstverständlich Teil des Managementteams sein wie seine Kollegen aus dem Finanz- oder HR-Bereich.

DIE AUTOREN

Dr. Sven Michaelis ist Berater im Hamburger Büro von Egon Zehnder. Er leitet die deutschen Aktivitäten der Praxisgruppe Technology and Communication und koordiniert die globale CleanTech-Gruppe. Er berät internationale Unternehmen mit Schwerpunkt CleanTech/Renewables und Semiconductors/High Tech.

Ein besonderer Dank geht an Co-Autor Christoph Lueneburger, Berater bei Egon Zehnder von 2008-2015.

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