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Nicht was, sondern wer

Ein erstklassiges Team im „Bus“ ist wichtiger als eine ausgefeilte Strategie

  • Januar 2017

Nach den Erfahrungen und Forschungsergebnissen des Wirtschaftswissenschaftlers James C. (Jim) Collins sind Personalentscheidungen die wichtigsten Entscheidungen, die Unternehmen und ihre Führer zu treffen haben. Ein erstklassiges Managementteam, ist Collins überzeugt, ist wichtiger für den dauerhaften und überdurchschnittlichen Erfolg eines Unternehmens als eine ausgefeilte Strategie. Für FOCUS erläutert Collins sein „First-Who-Prinzip“, veranschaulicht durch seine berühmte „Bus“-Metapher, und beschreibt, wie man die richtigen Leute an Bord bekommt. Fragen an und Antworten von Jim Collins

Worauf sollte sich ein Unternehmenslenker zunächst konzentrieren, wenn er ein exzellentes Unternehmen aufbauen will?
Die zunächst wichtigsten Entscheidungen sind eindeutig Personalentscheidungen. Alle von uns untersuchten Unternehmenslenker, die mit ihren Organisationen den Sprung von guter zu erstklassiger Performance geschafft haben, praktizierten den „First-Who-Ansatz“: Erst die richtigen Manager an Bord nehmen, die falschen Leute von Bord schicken, die richtigen Manager auf die richtigen Plätze setzen und erst dann das Fahrtziel des Busses festlegen. Natürlich ist das „First-Who-Prinzip“ nicht die einzige Voraussetzung, um ein erstklassiges Unternehmen aufzubauen. Es ist eines von acht Prinzipien, das wir bei unseren Untersuchungen entdeckt haben, aber das erste Prinzip in der Kette. Solange noch nicht auf 90 bis 100 Prozent der Schlüsselplätze die richtigen Mitarbeiter sitzen, ist dies die wichtigste Priorität.

Wie sind Sie zu diesem Schluss gekommen?
Wir wenden in unseren Untersuchungen konsequent den Vergleich zwischen zueinander passenden Unternehmen an, von denen die einen hervorragend geworden sind, während die Kontrollgruppe im Mittelmaß stecken geblieben ist. Aus dem Vergleich leiten wir Empirien ab. In Good to Great wurden Unternehmen, die den Sprung vom guten zum erstklassigen Unternehmen geschafft und dieses Niveau mindestens fünfzehn Jahre lang gehalten haben, direkt mit Unternehmen verglichen, die einen derartigen Leistungssprung nicht geschafft hatten. Dabei stellten wir eine ganz einfache Frage: Welche Prinzipien sind für die Leistungsunterschiede verantwortlich? Bei einer Gegenüberstellung der Wells Fargo Bank mit einem Vergleichsunternehmen in der Ära der Deregulierung stellten wir fest, dass Dick Cooley bei Wells Fargo im Gegensatz zu den Kollegen im Vergleichsunternehmen das „First-Who-Prinzip“ praktiziert hatte. Statt zunächst eine Strategie für die Bewältigung der mit der Deregulierung verbundenen Probleme zu entwickeln, konzentrierte sich Cooley darauf, das beste, anpassungsfähigste Team der Branche zusammenzustellen. Er hatte erkannt, dass in einer sich rasch wandelnden Welt der beste Schutz gegen die mit den Veränderungen verbundenen Unsicherheiten das richtige Team ist; richtig deshalb, weil diese Mannschaft in der Lage ist, alle auftauchenden Schwierigkeiten zu meistern – vergleichbar mit einer Kletter-Seilschaft, auf die man sich auch im schwierigsten Berg blind verlassen kann.

Wie entscheiden die Führer hervorragender Unternehmen über die „richtigen Leute im Bus“?
Sie gehen nach folgendem Prinzip vor: Sie nehmen sich die Zeit, konsequent von Anfang an nur die allerbesten Kräfte an Bord zu nehmen. Wenn sie mit ihrer Wahl richtig liegen, setzen sie alles daran, um diese Spitzenkräfte langfristig an das Unternehmen zu binden. Wenn sie sich getäuscht haben, sehen sie dieser Tatsache ohne zu zögern ins Gesicht, damit sowohl sie selbst als auch die Neubesetzungen, die sich als falsch erwiesen haben, ihr Glück erneut versuchen können. Untersuchungen haben gezeigt, dass frühzeitige Beurteilungen genauso wichtig sind wie ausgefeilte Rekrutierungsmechanismen.

Welche Gemeinsamkeiten charakterisieren die richtigen Leute?
Die richtigen Mitarbeiter erfüllen mindestens drei Grundvoraussetzungen:

Sie teilen die entscheidenden Werte der Organisation. Ich werde oft gefragt, wie man Mitarbeiter dazu bringt, die Unternehmenswerte anzunehmen. Die Antwort lautet: So funktioniert das nicht. Der Schlüssel liegt darin, Mitarbeiter zu finden, die aus eigener Überzeugung die Kernwerte des Unternehmens vertreten. Unternehmen können ihren Mitarbeitern Fähigkeiten vermitteln, aber nicht Charakterzüge. Nucor Steel beispielsweise warb gezielt Mitarbeiter aus ländlichen Gegenden statt in den großen Stahlstädten an. Hinter dieser Entscheidung stand die Überlegung, dass „wir den Leuten zwar beibringen können, wie man Stahl kocht. Die Arbeitsethik eines Bauern lässt sich jedoch nicht antrainieren.“

Die richtigen Mitarbeiter müssen weder straff gemanagt noch motiviert werden. Die Vergleichsunternehmen unserer Untersuchungen – jene, die den Sprung in die erste Liga nicht geschafft hatten – verwandten mehr Mühe darauf, ansonsten unwillige oder undisziplinierte Mitarbeiter zu „motivieren“. Die erstklassigen Unternehmen dagegen konzentrierten sich darauf, von Anfang an die richtigen Mitarbeiter für das Unternehmen zu finden und daran zu binden: Mitarbeiter, die Befriedigung daraus zogen, ihre Arbeit gut zu machen, die sich selbst motivieren konnten und selbstdiszipliniert waren; kurzum Menschen, die jeden Tag von neuem aus eigenem Antrieb ihr Bestes geben wollten, einfach weil sie so veranlagt sind. Der Schlüssel zum Erfolg liegt folglich darin, selbstdisziplinierte Mitarbeiter einzustellen, die man nicht erst auf Linie bringen muss. So kann man sich darauf konzentrieren, das System zu managen und nicht die Mitarbeiter.

Sie verstehen, dass sie Verantwortung und nicht bloß einen Job haben. Stellen Sie sich vor, ein Fluglotse erklärte Ihnen: „Ich habe meine Aufgabe korrekt erfüllt, aber leider ist das Flugzeug abgestürzt.“ Wäre das gut genug? Sicher nicht. Die richtigen Leute arbeiten nicht nach Aufgabenlisten, sondern konzentrieren sich auf das Endresultat, für das sie verantwortlich sind; in unserem Beispiel also, das Flugzeug sicher nach oben und unten zu leiten. Führungskräfte, die nicht vollen Einsatz zeigen, sind in Spitzenunternehmen fehl am Platz.

Wie entscheidet man, wer von Bord gehen muss und wie wird diese schwierige Frage in die Tat umgesetzt?
Topmanager sind rigoros, aber nicht rücksichtslos. Rücksichtslos zu sein hieße, vor allem in schwierigen Zeiten Mitarbeiter gnadenlos und ohne Überlegung hinauszuwerfen. Rigoros zu sein hingegen bedeutet, konsequent jederzeit und auf allen Ebenen, vor allem aber im gehobenen Management, hohe Maßstäbe zu setzen. Rigoros, aber nicht rücksichtslos zu sein bedeutet, dass die besten Kräfte nicht um ihre Posten bangen müssen und sich deshalb ganz auf ihre Arbeit konzentrieren können. Top-CEOs hüten sich vor vorschnellen Urteilen. Sie prüfen zunächst, ob jemand nur am falschen Platz sitzt, bevor sie zum Schluss kommen, dass sie die falsche Person in ihrem Bus haben. Sie haben ein Gespür dafür, wie man die Leute dort einsetzt, wo sie ihre Fähigkeiten am besten entfalten können.

Fokussieren sich die Lenker der besten Unternehmen nur auf wenige Schlüsselfiguren an der Unternehmensspitze oder kümmern sie sich um außergewöhnliche Talente auf allen Führungspositionen?
In erstklassigen Unternehmen stellt der CEO zunächst seine Führungsmannschaft so zusammen, dass die Schlüsselplätze im „Unternehmensbus“ optimal besetzt werden. Anschließend führt jeder der Spitzenmanager das gleiche Prozedere in seinem Kleinbus durch, sprich auch er/sie sorgt dafür, dass die wichtigsten Plätze seiner Abteilung/Bereichs mit Spitzenleuten besetzt sind. Schließlich ist jede Führungskraft auf den wichtigsten Plätzen im Kleinbus wiederum dafür verantwortlich, die entscheidenden Positionen ihres Aufgabengebietes mit den besten Leuten zu besetzen. So setzt sich dieser Prozess von oben nach unten fort.

Wie wichtig sind Gehälter und Incentives beim Aufbau eines hervorragenden Unternehmens?
Zu unserer Überraschung scheint die Vergütung der Führungskräfte dafür, ob ein Unternehmen wirklich herausragend wird, keine signifikante Rolle zu spielen. 112 Unternehmensanalysen ergaben kein Indiz für eine Verbindung zwischen der Höhe der Führungskräftevergütung und der Unternehmensperformance. Wenn man die richtigen Kandidaten an Bord hat, werden diese alles in ihrer Macht Stehende tun, um aus ihrem Unternehmen ein Spitzenunternehmen zu machen. Sinn und Zweck der Vergütung ist folglich nicht, durch viel Geld die falschen Manager zu den richtigen Verhaltensweisen zu motivieren, sondern durch eine attraktive Vergütung von Anfang an die richtigen Executives zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden.

Welches ist der größte Irrtum, den Sie bezüglich der Entscheidungen von Führungskräften beobachtet haben?
Wer meint, man könne mit einer einzigen mutigen Entscheidung aus einem Durchschnittsunternehmen einen Star am Business-Himmel machen, irrt gewaltig. Wirklicher Erfolg braucht Zeit und lässt sich nicht durch einen isolierten Kraftakt herbeiführen. Wenn man die lange Entwicklungsgeschichte erfolgreicher Unternehmen betrachtet, wird man feststellen, dass keine – auch noch so gewichtige – Einzelentscheidung für mehr als einen kleinen Teil der Gesamtdynamik des Unternehmens verantwortlich ist. Wahre Größe ist vielmehr das Ergebnis einer Folge richtiger, punktgenauer und Schritt für Schritt über einen langen Zeitraum ausgeführter Entscheidungen. Natürlich haben einige Entscheidungen weitreichendere Folgen als andere: Amgens Entscheidung, in das Gentechnologie-Medikament EPO zu investieren, die Entscheidung von South West Airlines, ausschließlich Boeings 737 einzusetzen, Intels Entschluss, den Mikroprozessor auf den Markt zu bringen, IBMs Entscheidung für das System/360 usw. Aber selbst diese Entscheidungen sind nur ein Mosaikstein im Gesamtbild eines erfolgreichen Unternehmens. In der langen Geschichte eines erstklassigen Unternehmens ist keine einzige Einzelentscheidung auch nur für zehn Prozent des Gesamterfolges der Organisation verantwortlich.

Gelten Ihre Untersuchungsergebnisse unter unterschiedlichen ökonomischen Bedingungen? Welche Entscheidungen sind in einem schwierigen Umfeld wichtig?
Der entscheidende Punkt unserer Untersuchungen für Good to Great war, dass wir Unternehmen verglichen haben, von denen die einen unter gleichen Ausgangsbedingungen erfolgreich zu Höhenflügen ansetzten, während andere im Mittelmaß verharrten. Wir stellten fest, dass es in den unterschiedlichsten Branchen Beispiele für Unternehmen gibt, die unter widrigen Umständen eine erstklassige Performance an den Tag legten. Jedes einzelne dieser Vorzeigeunternehmen hatte mit Widrigkeiten zu kämpfen und schaffte dennoch – im Gegensatz zu anderen Unternehmen in der gleichen Situation – den Sprung an die Spitze. Diese Erkenntnis ist vermutlich die wichtigste Botschaft von Good to Great: Erfolg ist keine Funktion der Umstände. Erfolg ist vielmehr das Ergebnis bewusster Entscheidung und Disziplin.

Welches war Ihre wichtigste persönliche Entscheidung?
Das war zweifelsohne meine Entscheidung, der Alma Mater den Rücken zu kehren und mich als Professor selbstständig zu machen. Bis Mitte der 90er Jahre hatte ich mit Begeisterung an der Stanford Graduate School of Business Entrepreneurship und Small Business gelehrt. Mit der Zeit merkte ich aber, dass es mir widerstrebte, mich der strengen Hierarchie einer Universitätslaufbahn zu unterwerfen. In ausführlichen Gesprächen mit erstklassigen Mentoren kristallisierten sich für mich mehrere Optionen heraus. Schließlich entschied ich mich dafür, dass aus dem Professor für Existenzgründung ein existenzgründender Professor werden sollte. Ich ging zurück in meine Heimatstadt Boulder, Colorado, eröffnete dort im Klassenzimmer meiner ehemaligen Grundschule ein Forschungslabor und machte mich als Professor selbstständig. Ich habe bewusst keine Consulting- oder Managementtrainingsfirma gegründet und gehe heute mit Begeisterung einer abwechslungsreichen Mischung aus Forschungs- und Lehrtätigkeit nach.

ZUR PERSON Jim Collins

Jim Collins stammt aus Boulder, Colorado, und ist ein international renommierter Managementexperte. US-Publikationen zählen ihn heute zu den bedeutendsten Vordenkern der Unternehmenswelt. Collins studierte angewandte Mathematik in Stanford und nahm dort anschließend einen Lehrauftrag an. 1995 kehrte er zurück in seine Heimatstadt und gründete ein eigenes Forschungsinstitut. Sein, wie er es selbst nennt, „Unternehmensforschungslabor“ widmet sich der Untersuchung von Unternehmensprozessen und -strukturen auf der Grundlage statistischer Methoden. 1994 erschien sein in Zusammenarbeit mit Jerry Porras verfasstes Buch Built To Last – Successful Habits to Visionary Companies (dt. Immer erfolgreich – Die Strategien der Top-Unternehmen), das in Fachkreisen rasch zum Klassiker avancierte. Es erschien in 60 Auflagen und wurde in 16 Sprachen übersetzt. 2001 erschien der New York Times-Bestseller Good To Great – Why Some Companies Make the Leap – And Others Don’t (dt. Der Weg zu den Besten).

ILLUSTRATION: ROBIN CHEVALIER/EASTWING

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