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Personalvorstand

Der menschliche Faktor

Warum der Personalchef sich gerade jetzt als HR-Stratege verstehen muss

  • Januar 2017

Als Stratege für HR-Management sollte der Personalchef eine wichtige Rolle in der langfristigen Erfolgsorientierung seines Unternehmens spielen, basierend auf effizienten Personalentwicklungsstrategien, die weit mehr beinhalten als wettbewerbsfähige Gehälter. Die Personalfunktion in den Unternehmen muss deshalb konsequent strategisch ausgerichtet werden. Nur dann kann sie künftig einen echten Beitrag zu den Fähigkeiten der Organisation leisten. Dazu bedarf es an ihrer Spitze eines Chief Human Resources Officers, der sich mit den Bilanzen, Märkten, Produkten und Kunden seines Unternehmens ebenso auskennt wie mit der Rekrutierung und Entwicklung fähiger Mitarbeiter. Seine soliden Kenntnisse nutzt er, um seine Vorstandskollegen zum Nachdenken über aktuelle und künftige HR-Anforderungen anzuregen und sie bei deren Umsetzung zu unterstützen.

Die jüngeren Entwicklungen in der Wirtschaft haben uns drastisch vor Augen geführt, dass nicht die „unsichtbare Hand des Marktes“, sondern Menschen über Wohl und Wehe eines Unternehmens bestimmen. Erst die akkumulierten Fehlentscheidungen vieler und das kriminelle Verhalten weniger setzten die Abwärtsspirale der gegenwärtigen Krise in Gang. Sie zeigen, wie schicksalhaft der Faktor Human Resources in der Wirtschaft wirkt. Vor diesem Hintergrund erscheint es bemerkenswert, dass ein Bezug zu Mängeln in der Personalpolitik der Unternehmen oder vielmehr ihrer Umsetzung in der aktuellen öffentlichen Diskussion bestenfalls am Rande hergestellt wird.

Wie ist das zu erklären? Die Antwort liegt in einem nach wie vor verbreiteten Verständnis von Human Resources (HR) Management als einer Disziplin, der vor allem administrative Verantwortung zugeschrieben wird. Das HR-Management hat in vielen Unternehmen nach wie vor nicht den Schritt an den „strategischen Tisch“ geschafft. Realität ist oft immer noch, dass die Unternehmensführung stärker durch Disziplinen wie Finanz-, Risk oder Legal Management geprägt wird und der Personalchef allenfalls noch gebeten wird, schon gefasste strategische Entscheidungen in geeignete Personalmaßnahmen umzusetzen. Noch immer ist die Personalfunktion teilweise nicht einmal auf Vorstandsebene angesiedelt, sondern darunter.

Dass dies so ist, liegt durchaus auch an den HR-Abteilungen und ihren Führungsverantwortlichen selbst. Sie sind – trotz jahrelanger gegenteiliger Forderungen und öffentlicher Bekenntnisse – häufig allzu sehr mit Verwaltungsaufgaben wie etwa der Gehaltsgestaltung beschäftigt. Nun ist eine reibungslose HR-Administration zweifellos unerlässlich für das Funktionieren eines Unternehmens. Sie bildet gewissermaßen die Basis und ist die Legitimation zur Mitwirkung von Human Resources an der strategischen Gestaltung einer Unternehmung. Der wahre Wertbeitrag des HR-Managements setzt aber eigentlich erst dort ein, wo HR einen konkreten Einfluss nehmen kann auf die sogenannten Organization Capabilities, auf das spezifische Leistungsvermögen des Unternehmens.

Viele Mitarbeiter und auch Führungskräfte sind allerdings immer noch der Ansicht, die Personalabteilung sei vor allem ihren individuellen Interessen verpflichtet. Dies trifft nicht zu. Sicherlich soll das HR-Management die Belange jedes Einzelnen im Blick haben. Doch geschieht dies unter der klaren Prämisse, mit Hilfe einer optimalen Personalstrategie den Unternehmenserfolg zu ermöglichen und zu steigern. Hierin besteht das eigentliche Ziel, dem alles andere unterzuordnen ist. Solcherart strategisch ausgerichtet, kann HR einen Beitrag in mehreren Dimensionen leisten.

Frühzeitig in die Entwicklung der Unternehmensstrategie einbezogen, hilft HR-Management, hohe Kosten und Fehlschläge zu vermeiden. Wenn zum Beispiel in einem neu angepeilten Markt die für eine Wachstumsstrategie benötigten Mitarbeiter nicht in der geforderten Qualität und Quantität vorhanden sind, kann der Personalchef rechtzeitig darauf hinweisen und/oder geeignete Rekrutierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Gang setzen, um die drohende Kompetenzlücke zu schließen. Oder er kann darauf hinweisen, dass eine geplante Übernahme zu misslingen droht, weil die personellen Ressourcen der beteiligten Unternehmen nur bedingt kompatibel sind. Wird der „Faktor Mensch“ in solchen Fällen erst im Nachhinein berücksichtigt, ist ein Scheitern oft vorprogrammiert.

Zweitens muss das HR-Management häufig als wichtiger Katalysator bei Themen wie Change Management und den gelebten Werten und der Kultur im Unternehmen wirken – eine überaus wichtige Funktion, wie gerade die jüngsten Ereignisse zeigen. Eine Unternehmenskultur, in der Werte nur deklariert, nicht aber realisiert werden, kann – wie wir gesehen haben – fatale Folgen haben. Natürlich muss in erster Linie der CEO für eine glaubwürdige und nachhaltige Führungskultur geradestehen. Aber auch und gerade dem HR-Management kommt hier eine entscheidende Governance-Funktion zu, welche weit über das Verfassen und Aufsetzen von entsprechenden Human Resources Policies geht. Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass individuelle Leistungsbeiträge im Rahmen des Performance Managements nur dann belohnt werden, wenn das Verhalten des betreffenden Mitarbeiters den Grundwerten des Unternehmens – und der Gesellschaft – entspricht. Auch die Rekrutierung und das Talent Management sind HR-Funktionen, die weit über die reine Prozess-Definition hinausgehen. Ein strategisch angelegtes Talent Management ermöglicht es, mit Blick auf die langfristigen Unternehmensziele die richtigen Mitarbeiter zu gewinnen und zu entwickeln. HR kann zum Beispiel aktiv dazu beitragen, Diversität zu einem echten Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen werden zu lassen. Denn die Einbeziehung unterschiedlicher Talente ermöglicht den Zugang zu mehr hochqualifizierten Mitarbeitern in allen möglichen Arbeitsmärkten

Eine anspruchsvolle neue Generation

Besonders gilt es, künftig die Ansprüche jüngerer Generationen wie vor allem der nach 1980 Geborenen zu berücksichtigen, denn sie werden in Zukunft die Mehrheit der Mitarbeiter stellen. Die Männer und Frauen dieser sogenannten Generation Y leben nicht für ihre Arbeit, sondern arbeiten, um zu leben. Neben guten Verdienstmöglichkeiten legen sie großen Wert auf Chancen, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln. Sie wünschen sich Karrieren, die ihnen Verantwortung übertragen, ihre Leistung anerkennen und es ihnen erlauben, ihre persönlichen Ziele im Beruf zu verwirklichen. Gleichzeitig soll dabei ausreichend Raum für Privatleben und Familie bleiben. Zudem achten diese jungen Leute mehr als je zuvor darauf, für was die Unternehmen stehen, in denen sie sich engagieren. Sie setzen damit deutlich andere Schwerpunkte als die Generationen vor ihnen. Auf diesen Wandel muss sich die Personalpolitik einstellen.

Sie wird in der Konsequenz wesentlich ausgefeilter und differenzierter werden müssen, vor allem in puncto Flexibilität, nicht nur was Arbeitszeiten und -plätze angeht, sondern auch im Hinblick auf die berufliche und persönliche Entwicklung der Nachwuchstalente. Um die gewünschte Flexibilität anbieten zu können, müssen die HR-Verantwortlichen gleichzeitig die Bedürfnisse der Mitarbeiter und die künftigen geschäftlichen Anforderungen im Blick haben. Sie müssen ein ausgeprägtes Gespür für die unterschiedlichen Gruppen auf der Gehaltsliste und deren voneinander abweichenden Zielsetzungen entwickeln.

HR-Verantwortliche müssen somit eine Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen erfüllen, wollen sie – unter dem Vorzeichen der jeweiligen Unternehmensstrategie – Talente gewinnen und motivieren. Eine marktgerechte Vergütung mit leistungsbezogenen Incentives reicht, so wichtig sie ist, hierfür keinesfalls aus. Die Praxis der vergangenen Jahre hat wiederholt gezeigt, dass auch Firmen, die Spitzenvergütungen zahlen, Top-Leute verlieren, wenn zum Beispiel die Führungs- und Wertekultur mangelhaft ist. Und dass die falschen Mitarbeiter bleiben und irgendwann dem Unternehmen eine fatale Richtung geben.

All dies gilt es zu berücksichtigen, soll das Unternehmen im Wettbewerb um die fähigsten Köpfe konkurrenzfähig sein und bleiben. Auf das Employer Branding ist damit ohne Zweifel mehr Sorgfalt und Energie zu verwenden. Um die verschiedenen Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen anzusprechen, muss der Ansatz komplexer und die Ansprache flexibler werden.

Aus dem Beschriebenen erschließt sich, wie komplex und umfangreich die Anforderungen sind, die es zu erfüllen gilt, um fähigen Mitarbeitern und Führungskräften ein attraktives Arbeitsumfeld und interessante Karrierechancen zu bieten. Es bedarf dazu vielfältiger Weichenstellungen und Maßnahmen, die letztlich eine Reward-Kultur definieren – eine Kultur, in der talentierte Kräfte ihre Leistung belohnt, ihr Können und ihren Einsatz gewürdigt und ihre Potenziale gefördert sehen und die zugleich ein Handeln honoriert, das den Werten des Unternehmens folgt. Unternehmen, in denen diese Faktoren realisiert sind, zeichnen sich nicht nur durch eine von der Führung vorgelebte Firmen- und Wertekultur aus, sondern durch ein HR-Management, das den genannten Anforderungen gerecht wird.

Der CHRO – Stratege statt Verwalter

An seiner Spitze muss eine starke, unabhängige Persönlichkeit stehen – vom Selbstverständnis her ein Chief Human Resources Officer (CHRO). Dieser steht vor hochkomplexen Aufgaben, für die er umfangreiche Fähigkeiten und Kompetenzen benötigt. Zudem kann er seine Aufgabe nur erfolgreich erfüllen, wenn er von einem CEOunterstützt wird, der die strategische Dimension erfolgreicher Personalpolitik anerkennt und zu nutzen weiß.

Grundlage der Arbeit eines erfolgreichen CHRO sind selbstverständlich solide HR-Kenntnisse, von der klassischen HR-Administration über heute oft komplexe Kompensationsmodelle bis hin zum strategischen Talent Management. Darüber hinaus und mindestens ebenso wichtig ist sein tiefes Verständnis für das Geschäft seines Unternehmens. Nur so kann der Personalchef glaubwürdig in strategischen Fragen Einfluss nehmen. Nur wenn der oberste HR-Manager sich beispielsweise mit den Produkten des Unternehmens auskennt und um die typischen Bedürfnisse der Kunden weiß, kann er eine Wachstumsstrategie mitgestalten. Und nur wenn er die Unternehmensbilanz im Detail lesen kann und ihm die entscheidenden Hebel für künftige Erfolge und Profitabilität klar sind, ist er in der Lage, die personellen Bedürfnisse etwa des CFO zu verstehen.

Es genügt allerdings nicht, eine Business-Strategie zu verstehen und diese in die bestmögliche HR-Strategie zu übersetzen. Soll Human Resources von Beginn an bei der Strategieentwicklung mitwirken, muss der Personalchef in der Lage sein, gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Trends einzuschätzen und Marktentwicklungen zu antizipieren. Er muss fähig sein, die wirklich relevanten Fragen zu stellen. Nur so kann er die Unternehmensstrategie im Sinne von Human Resources mitprägen.

Viele HR-Verantwortliche scheitern allerdings heute noch oft daran, dass sie nicht die gleiche Sprache sprechen wie ihre Kollegen in der Konzernleitung und sich gerne auf „HR-Euphemismen“ zurückziehen. Die Personalmanager fühlen sich dann häufig von anderen Führungsverantwortlichen nicht verstanden – leider meist zu recht.

Persönlichkeit mit Steherqualitäten

Doch nicht nur fachliche Kompetenz zeichnet einen Chief Human Resources Officer aus, sondern seine ausgeprägte Persönlichkeit. Während er einerseits seine Unabhängigkeit wahren und nicht „politisch“ taktieren darf, benötigt er andererseits eine ausgeprägte Fähigkeit, Menschen für sich zu gewinnen und zu überzeugen. Man erwartet von ihm, dass er offen, zugänglich und in hohem Maße vertrauens-würdig ist, dabei aber stets unparteiisch und allein der Sache verpflichtet bleibt.

Ein CHRO, der politische Allianzen eingeht oder sich etwa hinter demCEO versteckt, hat seine Glaubwürdigkeit schnell verspielt. Er braucht allerdings unbedingt dessen Unterstützung, denn er muss sich vielfach auch ohne durchgreifende institutionelle Kompetenzen durchsetzen – etwa dort, wo zentrale Personalpolitik in mehr oder weniger autonomen Geschäftseinheiten umzusetzen ist. Ein menschlich überzeugender Personalchef versteht sich darauf, in solchen Fällen den richtigen Ton anzuschlagen und so den angestrebten „Buy-in“ zu erhalten.

Eine weitere wichtige Eigenschaft zeichnet den erfolgreichen Chief Human Resources Officer aus: Er besitzt eine ausgeprägte Leidenschaft für den Umgang mit Menschen. Themen wie die Rekrutierung, die Beurteilung von Mitarbeitern und Kandidaten oder die Personalentwicklung liegen ihm am Herzen. Er sucht und pflegt den Kontakt zu talentierten Mitarbeitern, ist auch sonst persönlich präsent und ansprechbar. Der erfolgreiche CHRO verliert in diesem Zusammenhang aber nicht den Bezug zum Markt. Er versteht, was in Konkurrenzunternehmungen geschieht, und weiß einzuschätzen, wie sich sein Unternehmen im Markt für Talente behaupten kann. Bei der Rekrutierung von Spitzenmanagern spielt er deshalb eine aktive und prägende Rolle.

Schließlich muss der Personalchef über herausragende Führungseigenschaften im eigenen Bereich verfügen. Gerade in global ausgerichteten Konzernen stellen die HR-Abteilungen große, komplexe Gebilde dar, die sich über verschiedene Märkte und Geografien erstrecken. Glaubwürdigkeit, Durchsetzungsvermögen, interkulturelle Sensibilität und ein ausgeprägter persönlicher Führungsstil sind für den CHRO elementar. Vor diesem Hintergrund erweist sich für viele eine gewisse Linienerfahrung als vorteilhaft.

Ein fähiger Chief Human Resources Officer verfügt somit über Kenntnisse und Kompetenzen, die weit über die Grenzen klassischer Personalaufgaben hinausreichen. Er ist ein Stratege mit geschäftlichem Weitblick und einer Passion fürs Menschliche. Als solcher vermag er das HR-Management zu einem wichtigen Garanten für die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens zu machen.

DIE AUTOREN

Dr. Thomas Hammer ist seit 1991 Berater im Züricher Büro von Egon Zehnder. Von 2002 bis 2007 war er Group Head of Human Resources und Mitglied des Group Managing Board einer Schweizer Großbank, bevor er wieder bei Egon Zehnder eintrat. Er ist Mitglied der Financial Services, der Board Consulting Practice und berät Finanz- sowie Medienkonzerne und öffentliche Institutionen.

Maren Paas (Wittmann) trat 1991 bei Egon Zehnder ein. Aus dem Düsseldorfer Büro leitet sie die deutsche HR Practice Group. Sie ist branchenübergreifend tätig und berät Klienten bei der Optimierung von Talent Management und HR-Funktion. Zudem führt sie nationale und internationale Management-Appraisal-Projekte durch.

ILLUSTRATION: ANDREW BAKER

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