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Roadmap für den Weg zur Marketingexzellenz

  • August 2012

Roadmap für den Weg zur Marketingexzellenz

Die Versicherungsindustrie rückt den Kunden mehr und mehr in den Mittelpunkt und stärkt die Funktion des Marketings. Eine aktuelle Studie von Egon Zehnder gibt Aufschluss darüber, wo Ansatzpunkte für die nächsten Entwicklungsschritte auf dem Weg zur Marketingexzellenz liegen.

Der Trend ist unaufhaltsam: Quer durch die Branchen verleihen die neuen Medien den Konsumenten immer mehr Einfluss. Die Kunden werden informierter, sie prüfen Angebote kritisch und vergleichen genau. Gleichzeitig erweitern und verändern sich ihre Bedürfnisse rasanter denn je. Längst hat dieser Trend auch die Versicherungsindustrie erreicht. Versicherer, die in diesem veränderten Umfeld erfolgreich sein wollen, müssen ihre Kunden sehr genau kennen und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Nur so können sie ihre Angebote und Geschäftsmodelle differenzieren und sich in den fraglichen Marktsegmenten positionieren. Damit aber rückt das Marketing verstärkt in den Mittelpunkt.

Welche Rolle spielt das Marketing heute in Versicherungsunternehmen? Wie groß ist sein Einfluss und welches Kompetenzniveau erreicht es? Um diese Fragen zu beantworten, hat Egon Zehnder Ende 2011 bis Anfang 2012 dreizehn führende, in Deutschland ansässige Versicherer befragt. Die Ergebnisse zeigen klar, dass das Marketing in der Versicherungsbranche eine immer größere Bedeutung gewinnt. Zugleich verweisen sie auf Punkte, an denen die Versicherer ansetzen können, um die Marketingfunktion weiterzuentwickeln.

1. Die Stellung des Marketings stärken

Betrachten wir zunächst die Ergebnisse zur Stellung des Marketings in Versicherungsunternehmen. Die Antworten der befragten Marketing- und Vertriebsvorstände bestätigen einmal mehr, dass die Branche die Orientierung am Kunden als wichtigen Wettbewerbsfaktor erkannt hat. Dabei schreiben die Versicherer dem Marketing die Aufgabe zu, die Sicht des Kunden zu vertreten, Kunden und Märkte zu untersuchen und wichtige Kundeninformationen zur Verfügung zu stellen, womit die Funktion eine immer gewichtigere Rolle übernimmt. So deutlich dieser Wandel ist, so wenig schlägt er sich allerdings bereits in einer erhöhten Durchsetzungskraft des Marketings nieder, wie die folgenden Befunde zeigen.

Informationslieferant ohne Entscheidungsbefugnis

In allen an unserer Studie beteiligten Versicherungsunternehmen wird die Marketingfunktion bei Entscheidungen hinzugezogen, um die Kundenperspektive zu berücksichtigen. Wenn es um Produktneuerungen, Vertriebswege und Kampagnen geht, steht sie zudem in regem Austausch mit Vertriebs- und Produktabteilungen. Dennoch bleibt der Einfluss des Marketings begrenzt: Bei kritischen Entscheidungen, so die Einschätzung der Befragten, wiegt die Produktsicht oft immer noch schwerer als die Kundenperspektive. In den meisten Fällen beschränkt sich die Marketing-Funktion bei wichtigen Unternehmensentscheidungen auf die Rolle des Informationslieferanten.

So kann das Marketing zwar neue Produkte anregen und ist auch am Prozess der Produktentwicklung beteiligt. Die Entscheidung darüber, welches Produkt das Kundenbedürfnis trifft und zu welchem Preis es angeboten werden soll, liegt aber nach wie vor bei der Sparte. Die Preisbereitschaft des Kunden spielt bisher kaum eine Rolle. Ähnlich bei der Erfolgsbewertung neuer Produkte: Statt Marketingkriterien wie die Passgenauigkeit für die Zielgruppe oder die Stimmigkeit des Kommunikationskonzepts heran zu ziehen, orientiert man sich hier oft allein am Prämienumsatz.

Messbare Ergebnisse, aber keine Relevanz für den Unternehmenserfolg

Zur Erfolgsmessung nutzen die Marketing-Abteilungen heute ein umfangreiches Arsenal von Leistungskennzahlen, die sie anhand quantitativer wie qualitativer Erfolgskriterien ermitteln. Dazu gehören etwa die Kundenzufriedenheit, der Markenwert oder der Return on Invest (ROI) von Werbemaßnahmen. Kennzahlen, die sich auf den Beitrag des Marketings zu Umsatz und Ergebnis, auf das Wachstum und die Profitabilität von Kundensegmenten oder auf den Kundenwert beziehen, werden hingegen noch kaum eingesetzt – ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Marketing in vielen Versicherungsunternehmen noch immer als reine Unterstützungsfunktion und Cost Center gilt, weswegen man ihm keinen unmittelbaren Einfluss auf den Unternehmenserfolg zuschreibt.

Marketing ist kein Karrieremotor

Wie angesehen und durchsetzungsstark eine Funktion im Unternehmen ist, hängt nicht zuletzt von der Kompetenz der Führungskräfte ab, die sie vertreten. Sucht man vor diesem Hintergrund nach der Ursache für den nach wie vor eher begrenzten Einfluss des Marketings in der Branche, steht man letztlich vor der berühmten Frage nach Henne und Ei: Mangelt es dem Marketing an Anerkennung, weil es noch nicht so gut ist wie es sein könnte? Oder ist es nicht so gut, wie es sein könnte, weil es wegen seiner begrenzten Anerkennung nicht die starken Talente gewinnen und binden kann, die es braucht? Beides scheint zutreffend.

Die Ergebnisse unserer Befragung jedenfalls weisen darauf hin, dass der Einstieg ins Marketing die individuelle Karriere nicht unbedingt beschleunigt. Dazu scheint die Stellung und Durchsetzungskraft des Marketings gegenüber anderen Abteilungen noch nicht stark genug. Spitzenkräfte im Marketing stoßen in Versicherungsunternehmen deshalb nicht selten an eine „gläserne Decke“.

Ansatzpunkte zur Stärkung der Marketingposition

Die geschilderten Befunde zeigen: Trotz klarer Fortschritte hat das Marketing in Versicherungsunternehmen noch nicht die Position erlangt, die es ihm erlauben würde, seine Möglichkeiten optimal für den Unternehmenserfolg einzusetzen. Versicherer können die Entwicklung vorantreiben, indem sie

  • dem Marketing bei wichtigen Unternehmens- und Produktentscheidungen die Entscheidungsbefugnisse einräumen, die ihm als wichtigem Lieferanten von Kundenkenntnissen zukommen.
  • quantitative und qualitative Zielvorgaben für das Marketing festlegen, welche die Gewinn- und Verlustrechnung direkt beeinflussen, sodass der Beitrag der Funktion zu Umsatz und Ergebnis sichtbar wird.
  • herausragende Spitzenkräfte für das Marketing gewinnen, etwa indem sie Karrierepfade für Marketingmanager entwickeln und eine systematische Talententwicklung etablieren.
  • durch eine stärkere Rotation von Mitarbeitern zwischen Sparte, Vertrieb und Marketing dazu beitragen, mehr Verständnis für Fragestellungen und Vorgehensweisen des Marketings zu schaffen, Vorurteile abzubauen und das Ansehen des Marketings zu stärken.

2. Das Kompetenzniveau des Marketings erhöhen

Wenden wir uns nun der Analyse des Kompetenzniveaus im Marketing zu. Beim Blick auf die Ergebnisse dieses Teils unserer Studie wird schnell deutlich, dass die Stärken der befragten Versicherungsunternehmen vor allem in tradierten Marketingfeldern wie Markenführung und Kommunikation liegen. Hier agieren die Versicherer bereits auf hohem Niveau. Den Stand der Best-Practice erreichen sie allerdings generell nicht. Angesichts dieses Ergebnisses erscheint neben einer stärkeren Orientierung an Best-Practice-Ansätzen vor allem eine systematischere Entwicklung und Stärkung der Führungskompetenzen im Marketing dringlich.

Markenführung und Kommunikation weiter optimierbar

Auf dem Gebiet der Markenführung und Kommunikation setzen alle befragten Unternehmen auf gängige Ansätze und Instrumente. So ist es beispielsweise allgemeine Praxis, für jede Marke eine Markenstrategie zu entwickeln und den erwarteten Wertbeitrag abzuleiten. Markenstärke, Markenwert und der ROI von Kampagnen werden regelmäßig gemessen und analysiert. Auch wird der Erfolg der Kampagnen genau erfasst. Doch offenbaren die Einschätzungen der Studienteilnehmer durchaus auch Ansatzpunkte für Verbesserungen. So hinterfragen die Marketingabteilungen ihre Markenstrategie und den Wertbeitrag häufig zu wenig und passen sie nicht an veränderte Kundenbedürfnisse an. Zudem werden Kommunikationskampagnen nur selten vor dem Launch auf ihre Akzeptanz und Relevanz für die Kunden getestet. Versicherer mit vielen Marken schließlich betreiben oft noch kein systematisches Mehrmarken-Portfolio-Management, womit eine konsistente Positionierung und klare Differenzierung der Marken nicht gewährleistet ist.

Kundenkenntnisse qualitativ oft nicht ausreichend

Dass Erkenntnisse über den Kunden elementar sind, ist heute jedem Versicherer bewusst. Für alle befragten Unternehmen zählen denn auch wiederholte Markt- und Kundenumfragen zum unverzichtbaren Handwerkszeug. Kritisch wird es allerdings, wenn es um die Qualität der gewonnenen Kundenkenntnisse geht. Nur wenige Versicherungsunternehmen betreiben Marktforschung nach eigenen Ansätzen, und wenn sie dies tun, konzentrieren sie sich meist auf rückblickende Abfragen; neue Konzepte und Erwartungen werden kaum getestet. Das Gros der Versicherer greift zudem ausgiebig auf Sekundärdaten der Marktforschungsinstitute zurück. Die aber reichen nicht aus, um sich im Markt zu differenzieren, weil auch die Wettbewerber diese Daten verwenden. Stattdessen sind originäre, auf die eigenen Produkte und Fragestellungen zugeschnittene Primärdaten erforderlich.

Customer Lifecycle-Management noch kaum etabliert

Auch bei den Kundensegmentierungen zeigt sich Verbesserungspotenzial. Bisher werden diese meist allein aus sozio-demografischen Daten wie Alter, Kinderzahl und Familienstand abgeleitet. Um fundiert entscheiden zu können, wie viel ein Unternehmen in einen Kunden investiert, sind jedoch differenziertere Angaben nötig: Legt der Kunde Wert auf den Preis? Ist ihm eine intensive Betreuung durch den Vertrieb wichtig? Wie will er angesprochen werden? Welches Lebenskonzept verfolgt er? Und, nicht zuletzt: Wie profitabel ist der Kunde und welchen Wert besitzt er für das Unternehmen?

Ansätze einer wertorientierten Segmentierung sind nach unseren Studienergebnissen bei allen befragten Unternehmen vorhanden. Doch hat noch kaum ein Versicherer eine Kundenwertsteuerung über den gesamten Kundenlebenszyklus hinweg (Customer Life Cycle Management, CLM) etabliert. Häufig wird der Kundenwert auf Basis des erreichten Umsatzes bestimmt und nicht anhand des Gewinns, den das Unternehmen über die Zeit der Vertragszugehörigkeit des Kunden mit diesem erzielt (Customer Life Cycle Value). Weil die erhobenen Basisdaten über Kunden vielfach eher lückenhaft sind, fehlt zudem meist eine einheitliche Kundensicht über die Geschäftsfelder (Lines of Business) hinweg. Auch sind Konzepte zur Steigerung des Kundenwerts noch wenig verbreitet.

Ansatzpunkte zur Erhöhung des Kompetenzniveaus im Marketing

Die beschriebenen Ergebnisse legen eine Reihe von Maßnahmen nahe, mithilfe derer Versicherungsunternehmen ihre Marketingkompetenz weiter erhöhen können:

  • Generell empfiehlt sich ein fortlaufender Vergleich mit dem Markt und mit Best Practice-Ansätzen. Dieser zeigt, welche Möglichkeiten es zu nutzen und wo es Kurskorrekturen – etwa bei den Kompetenzprofilen der Marketing-Mitarbeiter – vorzunehmen gilt.
  • Das Talentmanagement im Marketing sollte systematischer erfolgen. Wichtig sind beispielsweise spezifische Entwicklungspläne, die es erlauben, mögliche Qualifikationslücken zu schließen und zügig auf Trends im Markt einzugehen.
  • Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Führungskompetenz der Marketing-Manager. Um ihnen erstklassige Leadership-Kompetenzen zu vermitteln, sollten vor allem ihre Fähigkeiten in den Kompetenzfeldern Kunden- und Ergebnisorientierung, teamorientierte Zusammenarbeit, Marktkenntnis und Veränderungskompetenz entwickelt werden.

Das Fazit

Auf dem Weg zu mehr Kundenorientierung haben die Versicherungsunternehmen ihr Marketing in den letzten Jahren deutlich ausgebaut und die Kompetenzen der Funktion gestärkt. Die – durchaus kritische – Selbsteinschätzung der an unserer Studie beteiligten Versicherer zeigt jedoch, dass das Marketing in der Branche noch nicht den Reifegrad erreicht hat, den es heute in anderen Industrien besitzt.

Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, ist die Branche mithin gefordert, das Ziel der Marketingexzellenz noch stärker in den Vordergrund zu rücken und das Marketing auf eine noch höhere Stufe weiterzuentwickeln. Wie unsere Studie zeigt, sind dazu sowohl Veränderungen innerhalb der Marketingabteilung als auch Schritte auf Unternehmensebene nötig. Den gewünschten Erfolg versprechen alle diese Veränderungen jedoch nur unter einer Bedingung: Sie setzen ein klares und nachhaltiges Bekenntnis des Vorstands zu Kundenorientierung und Marketingexzellenz voraus.

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