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Spitzenmanager:innen

Den Besten eine Chance! Warum mutige Spitzenbesetzungen an Unis scheitern und wie das geändert werden kann

  • September 2017

Präsidenten und Kanzler nehmen an deutschen Hochschulen – nicht erst seit den Exzellenzinitiativen – eine herausragende Stellung ein. Doch in jüngster Zeit scheitern mutige Spitzenbesetzungen. Einzelinteressen wiegen mehr als Führungspotenzial, Seilschaften siegen über Exzellenz. Wer das Prinzip der Bestenauslese missachtet, gefährdet langfristig die Freiheit der Wissenschaft, sagen Alin Adomeit, Stefan Rupp und Norbert Sack von Egon Zehnder.

Es wäre realitätsfern zu glauben, Besetzungsverfahren kämen ohne machtpolitische Überlegungen aus. Warum sollte es an Hochschulen anders zugehen als in der Wirtschaft? Doch Besetzungsverfahren sind als gescheitert anzusehen, wenn die mittel- und langfristigen Ziele einer Organisation ins Hintertreffen geraten und am Ende Kompromisskandidaten zur Wahl stehen. Diese Entwicklung, die wir leider zunehmend beobachten müssen, ist gefährlich und schadet den Universitäten ebenso wie dem Wissenschaftsstandort Deutschland.

Governance an deutschen Hochschulen – Rolle rückwärts?

Mit der Novellierung der Hochschulgesetze um die Jahrtausendwende kam es zur Einrichtung von Hochschulräten, die eine Aufsichtsfunktion ausüben und eine maßgebliche Rolle bei Besetzung von Präsident und Rektor spielen sollten. Das war ein Schritt nach vorn: In vielen Gremien fanden echte Diskussionen um Führungsanforderungen statt. Die Exzellenzinitiativen ließen die Überzeugung reifen, dass an den Hochschulen die besten Führungspersönlichkeiten agieren sollten.

Diese brachten ein neues Rollenverständnis mit: Manager und Wissenschaftler in einer Person, die gestalten. Es gibt zahlreiche Persönlichkeiten, die das unter Beweis gestellt und ihre Institution mit Begeisterung auf neue Wege geführt haben. Diese Überzeugungskraft ist auch nötig, weil Professoren – mit einer lebenslangen Anstellung versehen – nicht jeden Weg mitgehen müssen. Das Erbe dieser Besetzungsverfahren verschafft uns bis heute eine starke Hochschullandschaft.

Doch inzwischen könnte man sich die Frage stellen, ob die akademische Welt die Rolle rückwärts übt. In den Augen vieler eher links orientierter Kritiker verkörpert der Hochschulrat den reinen Neoliberalismus. Das ist sicherlich übertrieben, aber mit etlichen Novellierungen kämpft sich der Senat zurück in seine alte Funktion. Der Hochschulrat steht unter Beschuss. Mancherorts blockieren und lähmen sich die Gremien gegenseitig. Und werden dabei von einer Rechtsprechung1 flankiert, die die Rolle des Senats, wenngleich von Bundesland zu Bundesland verschieden, stärkt.

Freiheit und Pflichten?

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Wert der Freiheit in der Wissenschaft ist ein Eckpfeiler unserer Gesellschaft, geschützt durch das Grundgesetz. Gerade in Zeiten, in denen die Industrienationen die Wissenschaft mehr denn je in die wirtschaftliche Wertschöpfungskette integrieren wollen, begreifen wir diese Freiheit als hohes Gut.

Freie wissenschaftliche Forschung ist selbstverständlich nicht sofort (wenn überhaupt!) nach marktwirtschaftlichen Kriterien bewertbar. Doch diese Freiheit kann nicht geschützt werden, wenn die Leitung von wissenschaftlichen Institutionen, die zunehmend wirtschaftlichen Spielregeln unterworfen sind, nicht in die Hände der Besten gelegt wird. Professionelle Leitung und freie wissenschaftliche Forschung sind aufeinander angewiesen und sollten sich gegenseitig unterstützen. Soweit eine ideal gedachte Theorie.

Mit Blick auf aktuelle Entwicklungen möchte man sagen: Wer ein professionelles Besetzungsverfahren gegen die liberal-demokratischen Gepflogenheiten des Wissenschaftsbetriebs auszuspielen versucht, verkennt diese gegenseitige Abhängigkeit.

Klare Entscheidungswege – und mehr Fingerspitzengefühl bei Gremienzusammenstellungen

Das Hin und Her zwischen Senat und Hochschulrat schadet der Universität. Klare Verantwortlichkeiten sind nötig. Allerdings gilt für jedes Gremium: Ohne einen maximalen Rückhalt in der Organisation ist es schon vor seiner ersten Sitzung zum Scheitern verurteilt. Erfolgreiche Besetzungen beginnen demnach bei der Zusammenstellung des Hochschulrates. Hier ist sicherlich mehr Fingerspitzengefühl gefragt. Dann kann das Mandat des Hochschulrates auch wieder gestärkt werden. Kritisch ist auch die Frage zu stellen, ob – speziell in der Professorenschaft – in den letzten Jahren einige Kräfte nicht wirklich mitgenommen worden sind. Wobei das nicht als Ausrede dafür dienen kann, die Berufung von ambitionierten Präsidenten oder Kanzlern zu verhindern, um mit schwächeren Kandidaten in scheinbar ruhigerem Fahrwasser zu segeln.

Zusammen einen Sinn finden – und über die Universität hinaus gesellschaftliches Vorbild sein

Hochschulen professionell voranzubringen und die Wahrung des einzigartigen und durch unser Grundgesetz geschützten Selbstverständnisses der Wissenschaft – diese Doppelaufgabe ist unbedingte Pflicht aller Universitätspräsidenten und politischen Entscheidungsträger. Zumal wir in einem globalen Wettbewerb stehen und Deutschland mehr denn je Wissensökonomie wird.

Was für die Wirtschaft und andere Organisationen unter dem Stichwort „Purpose“, also Sinnstiftung, funktioniert, könnte auch für Universitäten interessant sein. Veränderungen lassen sich heute auch in der Wirtschaft nicht von oben verordnen – und Visionäre, die ihre Mannschaften charismatisch mitziehen, gibt es nur wenige. Eine sehr gute Möglichkeit, die uns bleibt: Potenzialträger in der gesamten Organisation zu identifizieren, die bereit sind, wegweisende Veränderungen anzustoßen.

Doch momentan kann die Situation eher so beschrieben werden: Die aktuellen Entwicklungen schrecken die besten Köpfe ab, verantwortungsvolle Führungspositionen zu übernehmen – sie ziehen sich eher in einen wissenschaftlichen Elfenbeinturm zurück. Der Verlust, der der Institution Hochschule durch die fehlende Verantwortungsübernahme entsteht, ist nur schwer zu quantifizieren, er dürfte aber erheblich sein.

Die Hochschullandschaft ist gesellschaftlich noch aus einem anderen Grund wegweisend: In einem anderen Sektor, der Politik, ist völlig ungeklärt, wie die Bestellung der Besten wirklich funktionieren könnte. Auch die Politik hat ihren „Unique Selling Point“ (in der Wissenschaft: Freiheit) noch nicht mit dem Anspruch versöhnt, die richtigen Persönlichkeiten an den Stellschrauben der Macht zu platzieren. Die Wissenschaft könnte hier ein leuchtendes Vorbild werden.


1Hier geht es vor allem um die Urteile des Verfassungsgerichtshofs in Baden-Württemberg vom 14.11.2016 (1 VB 16/15) sowie des Bundesverfassungsgerichts vom 24.06.2014 (1 BvR 3217/07).

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