Das geplante Investitionspaket der Bundesregierung für die Infrastruktur weckt bei vielen Stakeholdern der Bauindustrie Wachstumsphantasien – doch damit die Milliarden aus dem Sondervermögen ihren Weg in die Bauwirtschaft finden, sind noch einige Hürden aus dem Weg zu räumen. Welche Fähigkeiten und Strategien Führungspersönlichkeiten jetzt brauchen, um die Wachstumschancen optimal zu nutzen.
Kommt jetzt der nächste Bau-Boom? Diese Frage müssen Führungspersönlichkeiten aus der Bauwirtschaft aktuell häufig beantworten. Investor:innen, Mitarbeitende und andere Stakeholder erwarten gespannt die Umsetzung der Pläne von Bauministerin Verena Hubertz rund um das neue Sondervermögen, aus dem Milliarden in die deutsche Verkehrs- und Wohnungsinfrastruktur fließen sollen.
Die Hoffnungen auf eine Trendwende in der Bauwirtschaft sind groß, denn zuletzt hatten gestiegene Bauzinsen, schwache Konjunktur, Fachkräftemangel, ausufernde Regulatorik und hohe Baukosten die Branche belastet. Auch die Neuwahlen und die unübersichtliche Phase der Regierungsbildung hatten bei vielen Unternehmen in der Bauindustrie zu Investitionszurückhaltung geführt.
Dabei gäbe es eigentlich mehr als genug zu tun für die Unternehmen der Bauindustrie:
- Der Investitionsstau ist sowohl im Tiefbau als auch im Wohnungsbau enorm. Marode Brücken, Schienen und Straßen müssen saniert, bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden – die Bauwirtschaft wartet hier nur auf ihren Einsatz.
- Auch die von der EU ausgerufene „Renovation Wave“ gilt es zu bewältigen: Die Bauindustrie bereitet sich darauf vor, bis zum Jahr 2030 35 Millionen Gebäude in der EU energieeffizient umzubauen.
- Um die ehrgeizigen Klimaschutzziele der EU-Gebäuderichtlinie EPBD zu erreichen, sind jetzt innovative Baumaterialien und neue Geschäftsmodelle gefragt.
- Baustoffhersteller stehen bereit, eine effiziente und sichere Versorgung der Bauindustrie mit nachhaltigen Ressourcen sicherzustellen – trotz der zahlreichen handelspolitischen Konflikte.
Die Bauindustrie wartet also nur darauf, dass nun endlich der politische Knoten platzt. Denn allen ist klar: Wenn die Milliarden aus dem Infrastrukturpaket wie versprochen, flankiert von schnellen Reformen, dann wirklich in den Unternehmen ankommen, kann es tatsächlich zu einem neuen Bauboom kommen. Denn dann fließen nicht nur die öffentlichen Investitionen, auch private Investor:innen könnten ihre abwartende Haltung aufgeben.
Führungsstrategie für die Trendwende im Bau
In dieser Phase gilt es für die Führungspersönlichkeiten in der Bauindustrie und bei den Baumaterialzulieferern, ihre Unternehmen frühzeitig klug zu positionieren – um die kommenden politischen Impulse optimal zu nutzen. Aus unseren regelmäßigen und intensiven Gesprächen mit Führungspersönlichkeiten aus der Bauwirtschaft und der Baustoffindustrie wissen wir: Sie stehen dabei vor einigen strategischen Herausforderungen.
Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, diese Herausforderungen anzugehen – und eine Führungsmannschaft aufzustellen, die bereit ist, Chancen zu nutzen und Risiken konstruktiv zu begegnen.
Sechs strategische Stellschrauben, an denen die Führungsteams in der Bauindustrie jetzt drehen sollten:
- Erwartungsmanagement betreiben
Die Erwartungshaltung vieler Stakeholder ist groß – doch erfahrene Führungspersönlichkeiten in der Bauwirtschaft wissen, dass politische Impulse Zeit brauchen, um Wirkung zu zeigen. Führungspersönlichkeiten müssen in der Lage sein, ihre Strategie im Stakeholder-Dialog klug zu kommunizieren, um Vertrauen zu schaffen. Und klarzumachen: Wer jetzt vorschnell im Übermaß Fachkräfte und Kapazitäten aufbaut, läuft Gefahr, von Investitionshürden ausgebremst zu werden. Augenmaß und das richtige Timing sind gefragt.
- Nicht besonders schnell wachsen – sondern besonders smart
Ganz oben auf der Prioritätenliste in den Führungsetagen der Bauindustrie steht daher jetzt der Auf- und Ausbau von Strukturen und Prozessen, die den Unternehmen mehr Flexibilität und Resilienz verschaffen. Gefragt sind Führungspersönlichkeiten, die den strategischen Wert von Netzwerken und Kooperationen sowie von neuen digitalen Tools und Prozessen erkennen und zum Einsatz bringen. Und die ihre Teams mit den richtigen Fachkräften verstärken.
- In Szenarien denken und flexibel bleiben
Die Wirtschaftslage ist komplex und volatil – Führungsteams brauchen daher die Fähigkeit, in Szenarien zu denken und ihre Strategie schnell anzupassen. Welche Prioritäten werden die neuen Bau- und Verkehrsministerien setzen? Wann werden Reformen wirksam, die Vergabeverfahren und Bauprojekte vereinfachen und beschleunigen sollen? Wie zügig werden die ausführenden Behörden wirklich in der Lage sein, die geplanten Investitionen auf den Weg zu bringen? Wie könnte sich eine Verschärfung der internationalen Handelskonflikte auf Preise und Ressourcenverfügbarkeit auswirken? Flexibilität und die Fähigkeit, sich schnell an veränderte Bedingungen anzupassen, sind entscheidend
- Schlagkräftige Führungsteams aufbauen
Um in der aktuellen Situation erfolgreich zu sein, braucht ein Führungsteam Spezialist:innen mit komplementären Fähigkeiten – effiziente Projektmanager:innen, kluge Netzwerker:innen und HR-Expert:innen ebenso wie digitalaffine Strateg:innen. Diverse Teams mit unterschiedlichen Sichtweisen tragen dazu bei, bestehende Glaubenssätze zu hinterfragen und neue Lösungen zu finden.
- Unternehmenskultur und Arbeitgebermarke stärken
In Zeiten der Unsicherheit ist die Rolle der CEOs und ihrer Führungsteams als Hüter:innen der Unternehmenskultur von besonderer Bedeutung.Wenn sie signalisieren, dass sie eine Vision und einen Plan haben, um das Unternehmen durch schwierige Zeiten zu manövrieren und zukunftsfest aufzustellen, sorgt das für psychologische Sicherheit. Und damit für Mitarbeitendenbindung und eine starke Arbeitgebermarke.
- Mitgestalten
(Bau-)Politisch kommt nun viel in Bewegung – zum Beispiel bieten Public Private Partnerships eine Chance, selbst aktiv daran mitzuwirken, dass der Investitionsschub in einen echten Bauboom führt. Auch darüber hinaus sind die Top-Entscheider:innen der Branche gefordert, Position zu beziehen und die erfolgreiche Weiterentwicklung der Industrie zu gestalten. So zeigen sie Führungsstärke für eine neue Bauwirtschaft – und tragen dazu bei, das Image der Bauindustrie als Möglichmacher und Zukunftsgestalter zu stärken.