Ein Großteil der Wirtschaft findet auch nach 35 Jahren Wiedervereinigung im Westen statt – und nicht im Osten. Was sind die Gründe dafür und wie steht es aktuell um die ostdeutsche Wirtschaft? Darüber hat der rbb in einem Radiobeitrag anlässlich des Tags der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2025 mit Wasko Rothmann gesprochen, der das Dresdner Büro von Egon Zehnder leitet.
Strukturelle Asymmetrie und fehlende Vorbilder in der ostdeutschen Wirtschaft
Strukturelle Asymmetrie und fehlende Vorbilder in der ostdeutschen Wirtschaft
Der aktuelle Elitenmonitor der Bundesregierung zeichnet ein negatives Bild, wenn es um die Repräsentanz von Ostdeutschen an der Unternehmensspitze geht – die Tendenz ist gegenüber den Vorjahren rückläufig. Wasko Rothmann spricht in diesem Zusammenhang von einer „strukturellen Asymmetrie“, die ihre Ursprünge in der Nachwendezeit hat. Früher, so berichtet Rothmann aus eigener Erfahrung, wurde einem geraten, in den Westen zu gehen, wenn man es zu etwas bringen wollte. Dementsprechend fehlt es auch in der Region an unternehmerischen Vorbildern, die ihre Erfahrungen weitergeben und motivieren. Rothmann sieht aber auch positive Aspekte: „Dadurch, dass wir im Osten eine Generation haben, die wenig erbt und auch wenig Erbe zu erwarten hat, hat diese immer noch einen sehr, sehr starken Hunger“. Die Menschen probierten sich aus, machten ihre Erfahrungen – das sei etwas, was ihn sehr optimistisch stimme. Das werde auch bei den Unternehmen wahrgenommen, mit denen Rothmann spricht. „Sie kommen gerne in diese Region und bauen dort etwas auf, weil sie dort Menschen finden, die durchaus noch bereit sind, richtig zu investieren, ihre eigene Zeit.“
Selbstbewusstsein und Standortstärken in Ostdeutschland
Selbstbewusstsein und Standortstärken in Ostdeutschland
Rothmann beobachtet außerdem, dass die Unternehmen vor Ort sehr stark an ihrem „ostdeutschen Image“ arbeiten müssten – das erschwere auch das Anwerben von Spitzenpersonal. Dabei sei mehr Selbstbewusstsein durchaus angebracht, betont der Experte, der in Ostdeutschland aufgewachsen ist. Er verweist auf die Stärken der Region: Sachsen ist seit 20 Jahren durchweg auf Platz eins im Bildungsmonitor, in Dresden befindet sich eine der besten technischen Universitäten der Welt. „Ich denke, wir könnten eigentlich noch viel selbstbewusster sein“. In diesem Zusammenhang verweist er auf das Ostdeutsche Wirtschaftsforum (OWF) – das sogenannte Davos des Ostens –, das sich zu einer Spitzenkonferenz für die Wirtschaft im Osten entwickelt hat und Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft vernetzt.
Für Rothmann ist das OWF einer der Orte, die solch ein Selbstbewusstsein erzeugen können: „Es ist nicht mehr der Ort, an dem sich Politiker zusammensetzen und gucken, wie können wir denn dem Osten helfen, sondern es ist eigentlich der Ort geworden, in dem der Osten zeigt, was er zu bieten hat“ – eine Art Leistungsschau der Ostdeutschen Wirtschaft. „Und davon braucht es aus meiner Sicht noch viel mehr.“
Diversität als Erfolgsfaktor im globalen Wettbewerb
Diversität als Erfolgsfaktor im globalen Wettbewerb
Ein weiterer Aspekt in dem Gespräch ist das Thema Diversität. Rothmann dazu: „Diversität ist gerade an der Spitze von Unternehmen immer erst mal eine Herausforderung – und wenn man gelernt hat, damit gut umzugehen, ist es das, was den Unterschied zwischen erfolgreich oder sehr, sehr erfolgreich und weniger erfolgreich oder nicht erfolgreich ausmacht.“ Unabhängig von Ost oder West sei Diversität, also die unterschiedlichen Perspektiven, Biografien und Erfahrungen, ein Schlüssel, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.
Zum Tag der Deutschen Einheit – Unternehmertum in Ostdeutschland, https://rbbmediapmdp-a.akamaihd.net/content/88/70/88700d12-6ff4-4ed5-aa60-23f02b8b249f/bca2d8f4-7f72-4743-9421-aaf78eaf8a17_fea1158a-d9d5-45f1-b14d-3beb6cb0671c_256k.mp3