In den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen sitzen nach wie vor zu wenige Frauen, es gibt zu wenig Vielfalt – diese Einschätzung gilt praktisch als Konsens. Die öffentliche Debatte kreist – oftmals im Schwarz-Weiß-Modus – um die Frage, wie hilfreich die gesetzliche Quote ist.
Passt diese Debatte zur Unternehmenswirklichkeit? Wohl eher nicht, auch wenn das öffentlich keiner zugeben möchte. Übrigens sehen auch viele der in Frage kommenden Top-Managerinnen die Regelung eher kritisch.
Werfen wir einen Blick auf die Realität und einige Klischees:
Aufwärtstrend schon vor der Quote: Unternehmen haben schon lange vor der Quote ihre Bemühungen intensiviert, mehr weibliche Aufsichtsräte zu gewinnen. Das hat einen guten Grund. In den meisten obersten Etagen ist „mehr Vielfalt“ bereits als ein wirtschaftlicher Schlüsselfaktor für mehr Wachstum erkannt worden. Gerade in einer globalisierten Wirtschaft und unter sich kontinuierlich wandelnden Rahmenbedingungen brauchen Unternehmen mehr denn je vielfältige Erfahrungen, Perspektiven, Einschätzungen und Haltungen. Diese Vielfalt umfasst unterschiedliche Geschlechter genauso wie unterschiedliche Nationalitäten, Alter, etc. Auch deswegen hat sich der Anteil von weiblichen und internationalen Aufsichtsräten schon vor Jahren deutlich spürbar erhöht.
Sind die Zuwächse zufriedenstellend? Nein! Aufsichtsräte sind längerfristig bestellt und können nicht beliebig ausgetauscht werden. Den Unternehmen geht es um die richtige Besetzung zum Wohle ihrer Organisation. Was sich fast banal und für einige wie eine Ausrede anhört, ist Teil nicht wegzudiskutierender Verantwortung.
Bei der Besetzung zählt Qualität. Es gibt genügend qualifizierte Kandidatinnen. Legt man aber das alte Muster der Deutschland-AG an („Manager mit Erfahrung als CEO oder mindestens Vorstand im DAX-Unternehmen“), gerät man schnell in eine Sackgasse. Hier müssen Unternehmen verstärkt umdenken. Weibliche Manager mit substanzieller Erfahrung finden sich beispielsweise in Top-Leitungsfunktionen großer Unternehmen sowie in oftmals weniger beachteten Familienunternehmen, in der Wissenschaft und im öffentlichen Sektor. Dass es keine Kandidatinnen für Aufsichtsräte gäbe, ist das schlechteste Gerücht, das ich kenne.
Auch für Frauen zählt Kompetenz: Bei einer Neubesetzung muss die Kompetenz an erster Stelle stehen, nicht das Geschlecht. Das gebietet nicht nur die Verantwortung für das Unternehmen. Das sehen vor allem die in Frage kommenden Top-Frauen selbst so. Keine von ihnen will nur aufgrund einer gesetzlichen Quote berufen werden.
Wie geht es weiter? So kritisch die Quote auch gesehen wird, so richtig ist sie, eine Entwicklung in Gang zu halten, die nach wie vor kein Selbstläufer ist. Vielen ist noch nicht klar, warum Gremien aus wirtschaftlichen Gründen idealerweise paritätisch besetzt sein sollten. Die strategischen Implikationen diverser Gremien sind bis dato weder gut erklärt noch gut verstanden. Hier liegt weiterhin ein hartes Stück Arbeit vor uns.