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Guter Draht nach außen

Warum Teams sowohl einen internen Fokus als auch einen externen Ansatz brauchen

  • Januar 2017

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Warum scheitern Teams, deren Mitglieder ebenso talentiert wie engagiert sind? Wie kommt es, dass Gruppen, die intern alles richtig gemacht haben, plötzlich oder allmählich die notwendige Unterstützung für ihre Arbeit entzogen wird? Oft haben es diese Teams versäumt, neben ihren internen Strukturen auch die Verbindungen in ihr Umfeld zu pflegen, und darüber den Kontakt zur Außenwelt verloren. Ein fataler Fehler unter heutigen Wettbewerbsbedingungen, wie Deborah Ancona und Henrik Bresman in ihrer Forschungsarbeit festgestellt haben. Sie fordern deshalb einen neuen Typus: Das X-Team. Von Deborah Ancona und Henrik Bresman

TEAMWORK ist entscheidend für den Unternehmenserfolg. Darüber sind sich Führungskräfte schnell einig. Doch im selben Atemzug räumen viele auch ein, dass ihre eigenen Organisationen sich nicht gerade durch erfolgreiche Teamarbeit auszeichnen. So verblüffend diese Diskrepanz auch ist, so ist sie doch nachvollziehbar. Erfolgreiche Teams im gesamten Unternehmen aufzubauen und optimal zu nutzen, ist in der Tat eine schwierige und komplexe Herausforderung.

Unsere Forschungsarbeit hat klar gezeigt, dass erfolgreiche Unternehmen sich tatsächlich dadurch auszeichnen, dass sie diese Herausforderung gemeistert haben. Typischerweise sind solche Unternehmen in der Lage, eine Vielzahl hochkarätiger Teams quer durch die Organisation in Einklang miteinander zu bringen und – was vielleicht noch wichtiger ist: Diese Unternehmen ermuntern ihre Teams sehr nachdrücklich dazu, überall im Unternehmen strategisch wichtige Führungsauf­gaben zu übernehmen.

Unsere Untersuchungen haben zudem ergeben, dass das beste Medium für diese Art von verteilter Führung ein besonderer Typ von sehr extrovertierten Teams ist. Wir haben sie deshalb „X-Teams“ genannt. Bevor wir uns diesen ausführlich widmen, wollen wir zunächst untersuchen, warum gute Teamarbeit so schwierig zu realisieren ist.

Herausforderung Teammanagement

Im Zuge eines rasanten technologischen Fortschritts sind herkömmliche Zugangsbarrieren zu den Märkten gefallen und der Wettbewerb ist immer härter geworden. Innovation ist der einzige echte Wachstumsmotor geworden. Innovation kann aber nicht aus der Chefetage verordnet werden, sondern entsteht in jenen Teams, die an der Marktfront agieren.

Leider lenken die meisten CEOs Unternehmen voller Teams, deren Talente und Vermögen zu herausragenden Leistungen nie voll ausgeschöpft werden. Was an sich schon tragisch genug ist, kann einem Unternehmen im Kontext des ständig härteren, innovationsgesteuerten Wettbewerbs buchstäblich den Todesstoß versetzen. Das Grundproblem rührt daher, dass Unternehmen, je größer sie werden, zusehends unter die Gesetzmäßigkeiten von Koordinierung und Kontrolle geraten: Sie führen immer detailliertere Abläufe, rigidere Hierarchien und mehr Silos rund um Funktionen und Aufgaben ein. Die Folge ist zunehmende Kleinteiligkeit nach innen, während das für Innovationen wichtige Wissen immer umfassender und komplexer wird – über Bereichsgrenzen und Funktionsbeschreibungen hinaus. Deshalb gilt es, hierarchische Strukturen und Zentralismus abzubauen und sie durch dezentrale, lockere, weitreichende Organisationssysteme mit zahlreichen externen Allianzen zu ersetzen. Die Aufgaben, die Teams in einem so gearteten Umfeld haben, sind zunehmend auch mit anderen Aufgaben innerhalb und außerhalb des Unternehmens verwoben.

Zudem brauchen Unternehmen, die mit komplexen Problemen und dezentralen Ressourcen zurechtkommen müssen, eine Führung, die auf viele Akteure verteilt ist, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens und auf allen Hierarchieebenen. Und zwar genau dort, wo sich Informationen, Know-how, Visionen und neue Formen der Zusammenarbeit und des Engagements für das Unternehmen finden.

Leider ist das Verständnis von erfolgreicher Team­arbeit noch immer von einer Auffassung und einem Modell geprägt, die unter diesen Umständen nicht mehr wirklich funktionieren. Viele Teams glauben nach wie vor, dass es für ihren Erfolg ausreicht, einen internen Fokus zu haben – sprich: sich auf den eigenen Prozess, die unmittelbar zu lösende Aufgabe und die anderen Teammitglieder zu konzentrieren.

In der modernen Welt der „verteilten Führung“ können Teams ihren Blick aber nicht nur nach innen richten. Hier bedarf es einer Kombination aus internem Focus und externem Ansatz. Es geht um die Balance von erstklassiger Teamarbeit und erstklassiger Zusammenarbeit von Teams. Genau hier liegt die Stärke der X-Teams. Ihre Mitglieder agieren sowohl innerhalb als auch außerhalb der eigentlichen Team-Grenzen. Sie holen sich Informationen im gesamten Unternehmen und in dessen Umfeld und nutzen optimal die Hebelwirkung von Ideen, Support-Funktionen und Ressourcen in ihrer Organisation und darüber hinaus. Ihr externer Ansatz ermöglicht es ihnen, wendiger auf die sich rasant verändernden Arbeitsbedingungen, Technologien und Kundenanforderungen einzugehen und ihre Arbeit wirksamer mit anderen Initiativen im Unternehmen zu verknüpfen.

In der modernen Welt der „verteilten Führung“ können Teams ihren Blick nicht nur nach innen richten. Es geht um die Balance von erstklassiger Teamarbeit und erstklassiger Zusammenarbeit von Teams.

Wir haben drei Eigenschaften herausgearbeitet, durch die sich X-Teams von herkömmlichen Teams unterscheiden: externe Aktivität, straffe Umsetzung und flexible Phasen.

Externe Aktivität bedeutet, dass die X-Teams ständig nach Informationen über Kunden, Technologien, Märkte und Wettbewerber suchen. Sie verstehen den Kurs, auf dem sich das Top-Management bewegt, und arbeiten je nach Lage daran, diesen Kurs entweder zu korrigieren oder die Organisation in der gewünschten Richtung voranzutreiben. Sie lernen von anderen Teams und stellen sich entsprechend der neuen Erkenntnisse um. Sie tauschen sich mit anderen aus und kümmern sich um den Support von hierarchisch übergeordneten Ebenen.

Straffe Umsetzung zielt dagegen wieder mehr auf die innere Teamstruktur ab. Dazu gehört die Entwicklung interner Prozesse und Strukturen, die es den Mitgliedern ermöglichen, von ihren externen Ausflügen zu lernen, ihre Pläne entsprechend zu koordinieren und zielgerichtet und wirkungsvoll zu agieren. Es beinhaltet die Entwicklung gemeinsamer Ziele, klarer Aufgabenverteilung, transparenter Entscheidungsprozesse und von gegenseitigem Vertrauen und Achtung geprägter mitmenschlicher Beziehungen. Weitere, nach unserer Erfahrung entscheidende Faktoren sind: verbindliche Zeitpläne für alle Beteiligten und zugleich Raum für Reflexionen. Auch wenn das Team unter starkem Zeitdruck steht, hat es sich bewährt, sich die Zeit zu nehmen, extern gewonnene Inputs im Team zu analysieren. Straffe Umsetzung bedeutet auch, eine flexible Mitgliederstruktur zu pflegen mit der Chance zum internen Rollenwechsel, wenn veränderte externe Anforderungen dies erfordern.

Flexible Phasen schließlich erlauben X-Teams nahtlose Übergänge, um ein Projekt energisch voranzubringen. Herkömmliche Teams kommen oft über eine bestimmte Phase nicht hinaus. Sie bleiben im Modus Informationssammlung stecken oder verzetteln sich in immer raffinierteren, aber letztlich nicht realisierten Konzepten. X-Teams hingegen durchlaufen reibungslos und wirkungsvoll alle Phasen von der Informationssammlung bis zur Marktreife für ein Produkt.

Wie setzen die X-Teams diese Prinzipien nun praktisch um? Die Antwort sind die, wie wir sie genannt haben, drei X-Faktoren. Da sind zunächst einmal die ausgedehnten Verbindungen zu nützlichen Kontaktpersonen außerhalb des Unternehmens. Sie ermöglichen es den Teams, über den Tellerrand der Organisationsgrenzen hinauszuschauen, ihre Aktivitäten zu koordinieren und sich den verändernden Gegebenheiten anzupassen. Flexible innere Strukturen erlauben es den Teams, sich selbst den Aufgaben und Erfordernissen entsprechend zu organisieren. Drittens können Mitglieder ins und aus dem Team wechseln und die Führungsspitze nach dem Rotationsprinzip weitergeben.

Anforderungen an das Management

Eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der X-Teams gedeihen können, ist die vielleicht wichtigste Forderung an das Management. X-Teams können nämlich in einem traditionellen Befehls- und Kontrollumfeld nicht funktionieren. Deshalb müssen die Manager eine Unternehmenskultur schaffen, die offene und ehrliche Kommunikation wertschätzt und einräumt, dass Risikoübernahme und Dissens wichtige Elemente für Innovationen sind. Netzwerke und ständiger Kontakt müssen im Team ebenfalls gepflegt werden.

Die meisten Manager achten, wenn sie ein Team zusammenstellen, vorrangig darauf, Mitarbeiter auszuwählen, die ihren Job sehr gut machen. Dadurch übersehen sie jedoch einen für X-Teams entscheidenden Faktor, nämlich die sozialen Netzwerke oder Verbindungen, über die die Teamkandidaten innerhalb und außerhalb des Unternehmens verfügen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Teammitglieder, die über solide Verbindungen zu Spezialisten sowie zum gehobenen Management, zu Forschung und Lehre und zu anderen externen Wissensquellen verfügen, ihre Teams sehr wirkungsvoll dabei unterstützen, den gesamten Projektablauf effizienter und erfolgreicher zu gestalten.

X-Teams sind zugegebenermaßen nicht einfach zu führen. Sie zu koordinieren, ist schwieriger als in einem herkömmlichen Team mit internem Fokus. Deshalb sind sie möglicherweise auch nicht immer die beste Wahl: Wenn in einem stabilen Umfeld einem Team eine relativ gängige Aufgabe übertragen wird, lohnt sich der mit der Koordinierung eines X-Teams verbundene Kosten- und Zeitaufwand eher nicht. Angesichts der komplexen Probleme nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch der sozialen, politischen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit könnten X-Teams aber der beste Weg sein, um Menschen verschiedenster Herkunft, mit unterschiedlichen Ansichten und je eigenem Wissensstand dazu zu bewegen, ihre kollektive Energie zu bündeln und die innovativsten Lösungen zu finden.

Deborah Ancona

Deborah Ancona ist Seley Distinguished Professor of Management an der MIT Sloan School of Management und Faculty Director des MIT Leadership Center. Sie war als Unternehmensberaterin für zahlreiche Unternehmen, darunter BP, Vale, Merrill Lynch, Newscorp, HP, Nike und AstraZeneca tätig. Neben ihrem gemeinsam mit Hernrik Bresman verfassten Buch, „x-teams: how to build teams that lead, innovate, and succeed“ hat Professor Ancona mehrere Studien zur Team Performance in angesehenen Fachzeitschriften wie dem „Sloan Management Review“ veröffentlicht.

Henrik Bresman

Henrik Bresman ist Assistant Professor of Organizational Behavior bei INSEAD, wo er Unternehmensführung lehrt. Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit bilden die Gebiete High-Performance-Teams, Innovation und Leadership. Vor Übernahme des Lehrauftrags bei INSEAD hatte Bresman, der aus Schweden stammt, verschiedene Positionen im Management, Consulting und als Unternehmer inne.

FOTO: © PLAINPICTURE/JOHNER

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