Begleiter, Vertraute, Sparringspartner: Welche Rolle übernehmen Beiräte und Aufsichtsräte in deutschen Familienunternehmen wirklich? Und wie professionell arbeiten sie mit „ihren“ Vorständinnen und Vorständen und Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern zusammen? Egon Zehnder hat die 100 größten Familienunternehmen analysiert und mit 24 Tiefeninterviews geführt.
Beiräte und Aufsichtsräte in Familienunternehmen sind oft historisch gewachsene Gremien, die meist mit persönlichen Vertrauten besetzt sind: etwa mit langjährigen Beraterinnen und Beratern, mit Vertreterinnen und Vertretern der Familie, mit Kundinnen und Kunden und mit befreundeten Unternehmerinnen und Unternehmern. Entsprechend wenig ist öffentlich bekannt darüber, wie die Vorständinnen und Vorstände und Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von Familienunternehmen mit ihren Beiräten und Aufsichtsräten zusammenarbeiten.
Expertinnen und Experten von Egon Zehnder haben die 100 größten Familienunternehmen und deren Transparenz mit Blick auf ihre Beiräte und Aufsichtsräte analysiert. Zudem haben wir intensive Gespräche geführt mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Führungs- und Governance- Gremien von 24 Top-Familienunternehmen aus verschiedenen Branchen. Wir haben mit ihnen darüber gesprochen, welche Rolle ihre Beiräte und Aufsichtsräte übernehmen, wie sie die Zusammenarbeit konkret gestalten und wie zufrieden sie mit der Interaktion zwischen den beiden wichtigen Gremien sind.
Im Laufe unserer Arbeit haben wir festgestellt, dass Governance auf unterschiedliche Weise die Unternehmensführung prägt. Dabei gibt es verschiedene Einflussfaktoren, die im Zentrum dieser Expertise stehen.
- Dynamik und Beziehungen: Wie viel Einfluss nimmt die Familie auf den Beirat oder Aufsichtsrat? Wie konsensorientiert/konfliktbereit ist das Gremium?
- Zusammensetzung: Wie familiennah und wie unabhängig ist der Beirat oder Aufsichtsrat besetzt? Sind die richtigen Kompetenzen und Erfahrungen im Gremium vertreten? Nach welchen Kriterien werden die Mitglieder ausgewählt?
- Selbstverständnis des Beirats/Aufsichtsrats: Will das Gremium aktiv mit Rat zur Seite stehen, die oder den CEO herausfordern und so Entscheidungen und Strategie des Unternehmens wirksam beeinflussen?
- Agenda: Bestimmen strategische oder operative Themen die Agenda der Gremiensitzungen? Wie ist die Balance zwischen diesen beiden Polen?
- Formalisierungsgrad: Gibt es klare Governance-Strukturen, die Interaktionen zwischen Unternehmensführung und Governance- Gremium formell und überprüfbar regeln?
Ein Beirat oder Aufsichtsrat mit einem hohen Wirkungsgrad zeichnet sich in der Gesamtschau durch eine effektive Zusammenarbeit professionell aufgestellter Kontrollgremien mit der Unternehmensführung aus.
In einem Unternehmen mit niedrigem Wirkungsgrad entfaltet das Gremium hingegen nur wenig konkrete Wirkung in der Zusammenarbeit mit der Unternehmensführung.
Nur drei von 24 Unternehmen erreichen aktuell die höchste Maturitätsstufe, während knapp die Hälfte auf Level 1–2 nur einen niedrigen Reifegrad erreicht.
1. Niedriger Wirkungsgrad, passives Governance-Gremium:
Rund die Hälfte der befragten Familienunternehmen erreicht in der Zusammenarbeit mit ihrem Beirat/Aufsichtsrat nur einen niedrigen Wirkungsgrad. Der Beirat oder Aufsichtsrat verhält sich in diesen Unternehmen eher passiv. Die Anzahl der Sitzungen ist unterdurchschnittlich, und die Agenda ist primär von der Aufgabe „ Überwachung“ („Aufsicht“) geprägt. (s. Grafik oben)
2. Viel Mitsprache, wenig Sparring:
CEOs in Unternehmen mit einem Beirat oder Aufsichtsrat, der einen niedrigen Wirkungsgrad aufweist, berichten, dass in den Gremiensitzungen zwar viel kommuniziert werde – aber oftmals ohne konkrete strategische Agenda. So drehen sich die – eher selten stattfindenden – Sitzungstermine aus ihrer Sicht vor allem um operative Detailfragen, um Ratschläge mit anekdotischem Charakter („Glückskeks-Momente“) oder aber um Informationen mit „Präsentationscharakter“ für geschäftsunerfahrene Familienmitglieder. Entsprechend bewerten die CEOs dieser Unternehmen auch den Wirkungsgrad dieser Treffen auf ihre Führungsarbeit und auf den Unternehmenserfolg als eher gering. Den Beirats-/Aufsichtsratsvorsitz führt hier oft ein Familienmitglied.
In Unternehmen mit höherem Reifegrad finden sich deutlich häufiger Externe in der Position der oder des Vorsitzenden des BR oder AR.
Die vollständige Studie jetzt herunterladen
Themengebiete in diesem Artikel