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Ein echtes Win-win-win: Von Joint Leadership profitieren die Führungskräfte, das Unternehmen und das Team

Mit Karen Christin Laatz und Charlotte Knauer von der Beiersdorf AG sprach das Mitglied des zfo-Herausgeberbeirats Dr. Wasko Rothmann über die Herausforderungen und Chancen einer geteilten Führungsrolle.

zfo: Liebe Karen, liebe Charlotte, ihr beide seid eines der in Deutschland noch eher seltenen sogenannten Shared Leadership Couples. Ihr teilt euch also eine Führungsrolle – bei Beiersdorf spricht man eher von »Joint Leadership«. Sowohl die Wissenschaft als auch die Praxis interessieren sich für die Herausforderungen und Erfolgsvoraussetzungen dieses Modells. Was hat euch beide dazu motiviert, euch für ein Joint-Leadership-Modell zu entscheiden?

Knauer: Was zunächst eher als pragmatische Lösung zum Vereinbaren von Beruf und Familie gedacht war, hat sich inzwischen als ein sehr wirkungsvolles Führungsmodell erwiesen – das ich auch unabhängig von privaten Herausforderungen sehr zu schätzen gelernt habe. Wir coachen uns gegenseitig und geben einander kontinuierlich Feedback. Dadurch entsteht eine steile Lernkurve. Außerdem kann man dank der Expertise des jeweils anderen auch mal in Bereiche vordringen, in denen man selbst weniger sattelfest ist. Beiersdorf bietet dieses Modell nicht nur Eltern, sondern grundsätzlich allen Mitarbeitenden an – etwa auch für private Projekte, Weiterbildungen oder um in Phasen reduzierter Arbeitszeit andere Themen zu verfolgen. Bei uns gibt es mittlerweile 45 Jobsharing Couples, davon 27 in Rollen mit Personalverantwortung.

zfo: Wie definiert ihr das Konzept des Joint Leadership für euch persönlich und wie erlebt ihr es in eurem Arbeitsalltag?
Knauer: Für uns bedeutet Joint Leadership, dass wir sämtliche Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Entscheidungen wirklich gemeinsam tragen. Wir sind nicht einfach zwei Personen, die sich die Woche aufteilen und strikt verschiedene Themen bearbeiten. Vielmehr verfolgen wir eine gemeinsame Haltung und treffen große Entscheidungen im Austausch miteinander.
Laatz: Ich sehe darin eine echte Qualitätssteigerung: Jede Idee oder Entscheidung geht mindestens durch zwei Köpfe. Dadurch entstehen mehr Perspektiven, mehr Ideenvielfalt und letztlich bessere Ergebnisse. Wir sorgen außerdem dafür, dass eine Führungskraft nahezu jederzeit ansprechbar ist. Wenn eine von uns mal nicht da ist, ist in der Regel die andere ansprechbar. Das schafft eine hohe Kontinuität für unsere Teams und Stakeholder. Wichtig ist dabei, dass man das Konzept nicht mit einem einfachen Job Split verwechselt: Wir übernehmen nicht einfach geteilte Aufgabenpakete, sondern wirklich gemeinsam eine Führungsaufgabe.

Joint Leadership führt zu einer echten Qualitätssteigerung: Jede Idee oder Entscheidung geht mindestens durch zwei Köpfe.

zfo: Inwiefern unterscheidet sich eure Erfahrung mit geteilter Führung von klassischen Einzel-Führungsmodellen, die ihr vielleicht in der Vergangenheit erlebt habt?
Knauer: Der größte Unterschied: Wir können gemeinsam viel flexibler auf die gesteigerte Komplexität einer Führungsrolle reagieren. Wir hören immer wieder, dass junge Menschen manchmal keine Lust oder keinen »Appetit« mehr auf den »Stress« einer Führungsrolle haben: Im Shared Leadership werden mögliche Herausforderungen gemeinsam getragen, man kann auch mal an zwei Orten gleichzeitig sein. Außerdem modelliere ich Lösungen im Tandem – man hat immer jemanden zum Sparring, der mitdenkt und mitentscheidet.
Laatz: Genauso sehe ich das auch. Hinzu kommt noch, dass wir ganz unterschiedliche Backgrounds haben. Während ich aus dem HR-Bereich komme, bringt Charlotte ihr Marketing-Know-how ein. Diese Vielfalt der Perspektiven vermisse ich oft in klassischen Einzel-Führungsrollen. Auch in puncto Ideenentwicklung profitieren wir davon: Unser Output ist breiter und tiefer, weil wir unsere Stärken kombinieren.

zfo: Ihr kanntet euch vor eurer Zusammenarbeit noch nicht. Wie habt ihr euch darauf vorbereitet?
Laatz: Unsere Führungskraft hat uns jeweils einzeln interviewt und dann zusammengebracht. Beim ersten Gespräch, das damals nur virtuell stattfand, hat es direkt »Klick« gemacht: Da sprudelten sofort die Ideen. Besonders wichtig war, dass unsere Werte, unsere Einstellung zur Führung und unsere Arbeitsweisen gut harmonieren.

zfo: Gab es spezielle Trainings, Mentorings oder Reflexionsprozesse, die euch geholfen haben? Hat Beiersdorf bestimmte Prozesse, um Couples auf Shared Leadership vorzubereiten?
Knauer: Ja, früher haben wir einen externen Partner für das initiale Matching genutzt, inzwischen gibt es eine interne Ansprechpartnerin, die Tandem-Interessierte miteinander vernetzt und alle Jobsharing-Tandems im Unternehmen auf Wunsch berät. Das ist großartig, weil dadurch ein erfahrener Blick von außen kommt. Wir treffen uns auch in Formaten wie Jobsharing-Lunches oder -Workshops. Das alles hilft, gemeinsame Standards und Best Practices zu entwickeln. Hinzu kommt, dass wir externe Coaches haben, von denen man sich begleiten lassen kann. In unserem Fall haben wir zu Beginn auch einen Personal-Indicator-Test gemacht, um unsere Persönlichkeiten und Arbeitsstile noch besser zu verstehen. Gerade am Anfang, wenn man sich ja noch finden muss, ist das enorm hilfreich.

zfo: Worauf achtet ihr in eurer täglichen Zusammenarbeit am meisten? Gibt es bestimmte Werte, Prinzipien oder Strukturen, die euch wichtig sind?
Knauer: Vertrauen, Transparenz und eine klare Kommunikation sind für uns essenziell. Unsere Teams und alle Ansprechpartner:innen, die mit uns agieren, müssen sich zu jederzeit 100-prozentig darauf verlassen können, dass Dinge, die sie mit einer von uns besprechen, nicht noch einmal mit der anderen besprochen werden müssen. Wir haben feste Strukturen, zum Beispiel wöchentliche Abstimmungen. Jede:r macht sich Notizen, wir tauschen uns über Chat oder Sprachnachrichten aus, damit wir immer auf dem gleichen Stand sind.
Laatz: Außerdem achten wir darauf, dass wir uns gegenseitig Raum geben, aber auch füreinander da sind, wenn es mal stressig wird. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Reflexionsbereitschaft: Wir geben uns laufend Feedback und nehmen das auch an. Das klingt selbstverständlich, erfordert aber eine sehr bewusste Haltung und Offenheit.

Zur Person:

Karen Christin Laatz: »Ich bin seit über 15 Jahren bei Beiersdorf und habe eine klassische HR-Karriere hinter mir. Nach meinem Master in Management & Human Resources bin ich direkt eingestiegen und habe seither in verschiedenen strategischen und operativen HR-Rollen gearbeitet. Nach meiner Elternzeit war für mich klar, dass ich wieder Verantwortung und auch eine Führungsrolle übernehmen möchte, aber Vollzeit mit einem kleinen Kind zu Hause nicht infrage kam. Die Position Head of Early Career and Employer Branding wurde vakant und so entstand die Idee, gemeinsam mit Charlotte ein Shared-Leadership-Modell zu starten: Wir konnten dadurch meine HR-Expertise mit ihrem Marketing-Know-how verbinden. Eine perfekte Kombination, um das Universitätsmarketing zu schärfen und die erste globale Employer Brand für Beiersdorf zu entwickeln.«

zfo: Wie funktioniert das Modell operativ im Alltag? Wie organisiert ihr euch, um sicherzustellen, dass alle Aufgaben nahtlos erledigt werden?
Laatz: Wir leben unterschiedliche Arbeitszeitmodelle bei Beiersdorf. Oft teilt man sich die Woche auf, zum Beispiel Montag bis Mittwoch der eine, Mittwoch bis Freitag der andere. Bei uns ist es etwas komplexer: Wir haben kurze und lange Tage, an denen entweder Charlotte oder ich präsent bin, und den Donnerstag verbringen wir immer gemeinsam. Das ist unser »langer Tag«, an dem wir uns vor allem um strategische Themen kümmern.
Knauer: Wichtig ist eine saubere Übergabe. Wir dokumentieren unsere Arbeit sehr genau und stimmen uns kontinuierlich ab. Natürlich braucht das zu Beginn mehr Zeit, gerade beim Einarbeiten in ein neues Themenfeld. Aber sobald wir beide eine gemeinsame Basis hatten, konnten wir unglaublich effektiv arbeiten. Zudem sind wir als »ChaKa« nahezu immer erreichbar – wenn eine Person gerade nicht da ist, springt die andere ein.

Wichtig ist eine saubere Übergabe. Wir dokumentieren unsere Arbeit sehr genau und stimmen uns kontinuierlich ab.

zfo: Welche Rolle spielt Kommunikation in eurer geteilten Führung? Wie stellt ihr sicher, dass ihr als eine gemeinsame Stimme agiert – wenn das überhaupt angestrebt ist?
Knauer: Kommunikation ist der zentrale Erfolgsfaktor. Wir möchten, dass wir in der Außenwirkung als eine Führungsperson wahrgenommen werden – und gleichzeitig jede von uns als Individuum mit eigenen Stärken sichtbar bleibt. Das klingt erst mal widersprüchlich, ist aber machbar, wenn man sich intensiv abstimmt.
Laatz: Wir sprechen uns immer vorher ab, bevor wir Entscheidungen ans Team weitergeben oder nach außen kommunizieren. Wenn wir unterschiedliche Meinungen haben, klären wir das untereinander – und nutzen das aktiv, da dies auch die Qualität der Entscheidung verbessert. Nach außen vertreten wir eine gemeinsame Linie, damit unser Team weiß, woran es ist.

zfo: Wie nimmt euer Team euch als Führungsteam wahr? Gibt es besondere Herausforderungen oder Vorteile, die sich für das Team ergeben?
Laatz: Unser Team hatte natürlich anfangs viele Fragen: »Wer ist jetzt für was zuständig?«, »Wie läuft das mit Absprachen?«, »Und an wen wende ich mich bei welchem Anliegen?«. Doch relativ schnell hat sich gezeigt, dass wir durch unsere enge Kommunikation sehr präsent und erreichbar sind. Tatsächlich sehen wir vor allem Vorteile: Wir haben meist mehr Kapazität als eine Einzel-Führungskraft, weil meistens eine von uns verfügbar ist. Das gibt den Teammitgliedern mehr Sicherheit und schnellere Entscheidungswege.
Knauer: Herausfordernd kann es sein, dass das Team sich daran gewöhnen muss, zwei Ansprechpersonen zu haben, die in manchen Punkten vielleicht auch leicht unterschiedliche Perspektiven einbringen. Gleichzeitig profitieren die Kolleg:innen davon, dass sie in Personalgesprächen und Feedbackrunden oft noch mehr Impulse bekommen, weil wir beide etwas andere Schwerpunkte und Erfahrungen haben. Gerade was die »Führungs-«Aspekte angeht, nutzen wir unsere Unterschiedlichkeit als Stärke und versuchen dadurch, jedem im Team die bestmöglichen Entwicklungsimpulse zu geben.

zfo: Wie reagiert euer Team darauf, dass es zwei unterschiedliche Persönlichkeiten in der Führung gibt? Welche Herausforderungen oder Vorteile entstehen, wenn das Team Feedback von verschiedenen Personen erhält, das möglicherweise nicht übereinstimmt?
Knauer: Das Spannende an einem Joint-Leadership-Modell ist gerade, dass wir unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Jeder von uns bringt eigene Stärken, aber auch individuelle Sichtweisen mit. Das Team hat schnell gelernt, beide Perspektiven als Bereicherung zu sehen. Natürlich kann es mal sein, dass wir ein Thema unterschiedlich bewerten – dann klären wir das, bevor wir Feedback geben. Wir möchten das Team nicht verwirren, sondern es bewusst mit komplementären Ideen unterstützen.
Laatz: Wir handhaben es auch so, dass die Kolleg:innen sich aussuchen dürfen, ob sie ein Performance Review mit einer von uns oder mit uns beiden zusammen führen wollen. Oft nutzen sie die Chance, beide Sichtweisen zu hören und damit ein noch umfassenderes Bild zu bekommen.

zfo: Welche Herausforderungen sind euch bisher begegnet und wie habt ihr diese als Couple gemeistert?
Laatz: Eine der größten Herausforderungen ist unserer beider Antrieb und Motivation. Wir sprudeln beide vor Ideen und könnten 24/7 neue Projekte anstoßen. Da müssen wir manchmal aufpassen, dass wir uns nicht gegenseitig zu sehr »anfeuern« und am Ende zu viel auf dem Tisch haben. Wir haben uns daher bewusst gewisse Stoppsignale eingerichtet. Das heißt, wir geben uns aktiv Rückmeldung, wenn wir merken: »Okay, das wird jetzt zu viel.«
Knauer: Außerdem mussten wir lernen, dass man in einem Jobsharing-Modell nicht alles stets selbst machen kann. Das bedeutet in der Praxis: Loslassen lernen. Wer Joint Leadership macht, muss Verantwortung teilen können und aushalten, dass die andere Person manches vielleicht anders löst, als man es selbst getan hätte. Ich finde, darin liegt auch eine enorme persönliche Entwicklungschance.

Wer Joint Leadership macht, muss Verantwortung teilen können und aushalten, dass die andere Person manches vielleicht anders löst als man selbst.

zfo: Gab es Situationen, in denen eure Meinungen stark auseinandergingen? Wie habt ihr solche Konflikte gelöst?
Knauer: Ja, natürlich kommt das mal vor. Wir sind beide keine konfliktscheuen Menschen. Wenn wir uns beispielsweise in einer strategischen Frage uneinig sind, dann sprechen wir das offen und direkt durch. Wir suchen Argumente, wir schauen auf Daten und Hintergründe. Diese Diskussionskultur muss man aber lernen; sie braucht Vertrauen und ein gewisses Maß an Gelassenheit.
Laatz: Am Ende haben wir immer einen Konsens gefunden, mit dem beide leben können. Wenn gar keine Einigung möglich wäre, müssten wir – wie in jedem klassischen Set-up – andere Ebenen mit einbeziehen. Aber das ist bislang nicht passiert. Uns hilft hier sehr, dass wir von Anfang an unsere Werte und Führungsprinzipien abgeglichen haben. Wir wissen also beide, worauf wir hinarbeiten, und Konflikte werden dann eher zum konstruktiven Austausch als zum persönlichen Streit.

zfo: Wie bewahrt ihr in stressigen Phasen oder bei unterschiedlichen Prioritäten die Balance?
Laatz: Es gibt Phasen, in denen sehr viel parallel läuft. Da ist unser großer Vorteil, dass wir uns gegenseitig entlasten können. Wenn Charlotte gerade in vielen Meetings steckt, sorge ich dafür, dass andere Themen zuverlässig weiterlaufen, und umgekehrt.
Knauer: Wir achten sehr auf unsere Kommunikation: In stressigen Zeiten erhöhen wir die Schlagzahl unserer Abstimmungen. Gleichzeitig haben wir ein Gespür dafür entwickelt, wenn die andere Person vor lauter Projektdruck eine Auszeit oder mehr Freiräume braucht. Wir schützen uns da gegenseitig. Das ist ein enormer Vorteil gegenüber einer Einzel-Führungsrolle, wo man oft allein in der Verantwortung ist.

zfo: Was habt ihr durch die geteilte Führung über euch selbst und eure Führungskompetenzen gelernt?
Knauer: Ich habe gelernt, wie wertvoll es ist, Entscheidungen transparent zu machen. In einer Einzelrolle trägt man viel im Kopf mit sich herum, hier muss ich es Karen stets so kommunizieren, dass sie meinem Gedankengang folgen kann. Das hat meine Fähigkeit geschärft, komplexe Themen strukturiert zu erklären und Informationen bereitzustellen.
Laatz: Für mich war das Thema Loslassen besonders groß. Zuvor habe ich viele Jahre als HR-Business-Partnerin gearbeitet und war für alles selbst verantwortlich. Jetzt teile ich Verantwortung mit Charlotte. Das heißt, ich kann nicht jedes Detail bis zur letzten Minute selbst kontrollieren. Gleichzeitig ist es eine Riesenchance: Ich lerne täglich von Charlottes Marketinghintergrund und stelle mich dadurch selbst breiter auf.

zfo: Wie wirkt sich das Modell auf eure persönliche Weiterentwicklung aus, insbesondere in Bezug auf Sichtbarkeit und mögliche Wettbewerbsdynamiken auch zwischen euch beiden?
Laatz: Tatsächlich erleben wir, dass wir beide als »Tandem« sehr sichtbar geworden sind – intern und auch darüber hinaus. Aus »Charlotte und Karen« ist »ChaKa« geworden, und das ist auch eine Art Marke. Wir stehen oft gemeinsam auf Bühnen oder präsentieren strategische Themen. Das hat uns noch einmal ganz neue Möglichkeiten eröffnet und unsere Netzwerke stark erweitert.
Knauer: Was die Wettbewerbsdynamik angeht: Wer im Joint Leadership erfolgreich sein möchte, sollte nicht zu stark auf den individuellen Wettbewerb aus sein. Natürlich hat jeder persönliche Ambitionen, aber in dieser Konstellation kann ich nicht »punkten«, indem ich der anderen Person etwas wegnehme. Im Gegenteil, wir feiern Erfolge gemeinsam. Und wir sind beide überzeugt, dass wir als Team stärker sind als allein. Und wir haben inzwischen auch einen Entwicklungsschritt gemeinsam als Tandem gemacht – der vielleicht nicht gekommen wäre, wenn wir allein gearbeitet hätten.

zfo: Gibt es Aspekte eurer Persönlichkeit oder Arbeitsweise, die sich durch diese Erfahrung besonders entwickelt oder verändert haben?
Laatz: Ich bin deutlich empathischer geworden, weil ich mehr darauf achte, wie Charlotte bestimmte Situationen wahrnimmt. Wir sind zwar ähnlich, aber nicht identisch. Diese bewusste Rücksichtnahme auf einen anderen Blickwinkel habe ich auf andere Bereiche übertragen, zum Beispiel den Umgang mit Teammitgliedern oder Stakeholdern.

Diese bewusste Rücksichtnahme auf einen anderen Blickwinkel habe ich auf andere Bereiche übertragen, etwa den Umgang mit Teammitgliedern oder Stakeholdern.

Knauer: Ich glaube, ich habe kontinuierliches Feedback noch mehr schätzen gelernt. Wir geben uns gegenseitig permanent Rückmeldung; das erfordert ein hohes Maß an Offenheit und bietet eine große Chance zur kontinuierlichen Weiterentwicklung.

Zur Person:

Charlotte Knauer: »Ich bin seit 2001 bei Beiersdorf, also schon mehr als 23 Jahre. Nach meinem Trainee-Programm habe ich lange im globalen strategischen Marketing gearbeitet und später auch Erfahrungen als Key-Accounterin im Vertrieb gesammelt. Ein Wendepunkt kam, als mir nach meinem zweiten Kind eine Vollzeitführung einer großen Marke angeboten wurde. Als ich zögerte, kam meine damalige Chefin auf die Idee, die Rolle in einem Jobsharing-Modell zu besetzen, um Beruf und Familie besser vereinen zu können. Später wechselte ich in den Bereich Corporate Communications und habe dort unter anderem den Relaunch unserer Corporate Brand begleitet. Darüber ergab sich die Gelegenheit, mit Karen gemeinsam eine globale Employer Brand zu entwickeln – im Joint Leadership.«

zfo: Viele Shared Leadership Couples bestehen aus Frauen. Ist das auch eure Wahrnehmung, und wenn ja, warum? Welche Reaktionen bekommt ihr von männlichen Kollegen oder Führungskräften?
Laatz: Ja, wir sehen, dass derzeit in den meisten Unternehmen vermehrt Frauen diesen Weg einschlagen. Das hängt sicher stark mit der Familienplanung zusammen. Frauen übernehmen noch immer häufiger die Hauptverantwortung in der Care-Arbeit und entscheiden sich für ein Teilzeitmodell. Job Share oder Joint Leadership ist dann eine ideale Lösung, um Karriere und Familie zu vereinbaren.
Knauer: Männliche Kollegen sind oft sehr interessiert, wenn sie sehen, wie gut das klappt. Allerdings braucht es sicher noch einen Wandel in der Gesellschaft, damit Männer in größerer Zahl dieselben Erwartungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben und somit in solch ein Modell einsteigen. Bei Beiersdorf gibt es immer mehr Offenheit. Ich bin überzeugt, dass wir auch bald mehr gemischte oder rein männliche Jobsharing-Teams sehen werden.

zfo: Welche persönlichen Voraussetzungen oder Charaktereigenschaften haltet ihr für besonders wichtig, um erfolgreich im Joint Leadership zu agieren?
Laatz: Man sollte teamfähig sein, klar – aber vor allem sollte man Freude daran haben, gemeinsam zu führen. Das ist ein Unterschied zum klassischen Modell, wo man eher autark entscheidet. Hier braucht es eine gewisse Reflexionsbereitschaft und die Fähigkeit, Feedback zu geben und anzunehmen.
Knauer: Ich würde noch hinzufügen: Integrität und Empathie sind zentral. Man muss sich auf den anderen verlassen können, ehrlich miteinander umgehen und auch emotionale Intelligenz mitbringen. In stressigen Situationen oder bei schwierigen Personalentscheidungen merkt man schnell, ob man diese Werte teilt.

zfo: Gibt es Bereiche, in denen ihr euch eher ergänzt oder eher ähnlich seid?
Knauer: Wir sind beide eher visionär, das kann manchmal fast zu viel werden. Dann müssen wir uns bremsen. Inhaltlich bringt Karen das HR-Know-how mit und ich komme aus dem Marketing und der Kommunikation. Das ist eine ideale Ergänzung.
Laatz: Gleichzeitig ticken wir vom Wertesystem her ähnlich. Das hilft, um nach außen geschlossen aufzutreten. Unser Tipp an andere potenzielle Tandems ist, dass sie sich in den fachlichen Kompetenzen ergänzen, aber in den Grundwerten übereinstimmen. Das ist eine starke Kombination.

zfo: Gab es Situationen, in denen ihr das Gefühl hattet, dass die Aufgabenverteilung oder Anerkennung ungerecht war? Wie seid ihr damit umgegangen?
Laatz: Wir schauen regelmäßig darauf, ob wir eine ausgewogene Verteilung haben. Klar, es kann mal passieren, dass sich eine Person mehr um operative Themen kümmert, während die andere mehr strategisch unterwegs ist. Das darf aber nicht zur Dauerlösung werden.

Knauer: In puncto Anerkennung versuchen wir immer, uns gegenseitig ins rechte Licht zu rücken. Wenn Karen ein Projekt maßgeblich vorangetrieben hat, erwähne ich das auch im Außenverhältnis. Und umgekehrt genauso. Da wir gemeinsame Ziele haben, ist es ein ehrliches Interesse, dass wir beide »glänzen«. Das macht es einfacher, fair zu bleiben.

Da wir gemeinsame Ziele haben, ist es ein ehrliches Interesse, dass wir beide »glänzen«. Das macht es einfacher, fair zu bleiben.

zfo: Wer profitiert mehr von dem Modell: die Organisation, weil sie zwei schlaue Menschen und doppeltes Engagement bekommt – oder ihr selbst, weil ihr eure persönlichen Bedürfnisse besser mit einer Führungsrolle vereinbaren könnt?
Laatz: Für mich ist das ein echtes Win-win-win: Die Organisation hat zwei Expertinnen und damit ein umfangreicheres Netzwerk und mehr Innovationskraft auf einer Stelle. Wir selbst profitieren enorm, weil wir Beruf und Privatleben so vereinbaren können, wie es zu unserer Lebenssituation passt, und eine:n stetige:n Sparringspartner:in an der Seite haben. Und das Team gewinnt auch, weil eigentlich immer jemand ansprechbar ist und Entscheidungen meist durchdachter und aus verschiedenen Perspektiven getroffen werden.
Knauer: Sehe ich auch so. Es mag auf den ersten Blick teurer wirken, da ein 50-50-Jobsharing idealerweise einen kleinen Überhang haben sollte (zum Beispiel 60 % + 60 %). In der Realität macht sich das aber schnell bezahlt durch höhere Qualität, Kontinuität und geringere Ausfallzeiten. Außerdem wollen viele junge Talente heute flexible Arbeitszeitmodelle – Joint Leadership ist dafür ein Leuchtturm.

zfo: Leadership heißt in der Regel auch, mit seinen Themen abends ins Bett zu gehen und morgens aufzustehen. Man spürt Verantwortung die ganze Zeit. Leistet ihr mehr, als ihr bezahlt werdet? Wie haltet ihr die Grenzen aufrecht?
Knauer: Das Thema »Grenzen« ist wirklich wichtig. Auch wir müssen uns manchmal daran erinnern, dass wir in Teilzeit angestellt sind. Es kann schnell passieren, dass man in den freien Tagen arbeitet oder abends noch Mails schreibt. Wir sprechen das aktiv an und respektieren unsere Offline-Zeiten.
Laatz: Gerade weil wir uns gegenseitig vertreten, können wir uns die Verantwortung teilen. Das heißt, ich kann im Urlaub wirklich abschalten, weil ich weiß, dass Charlotte den Laden am Laufen hält. Wenn wir merken, dass wir immer wieder in Überstunden geraten, dann ist das ein Zeichen, dass wir priorisieren oder Aufgaben delegieren müssen. Wichtig ist, das nicht zu ignorieren, sondern aktiv gegenzusteuern.

zfo: Bei Beiersdorf gibt es mehrere solche Job-Share-Teams. Wodurch wird dieses Modell eurer Meinung nach gefördert? Liegt es an der Unternehmenskultur oder an den spezifischen Rahmenbedingungen?
Laatz: Beiersdorf hat eine sehr kooperative und teamorientierte Unternehmenskultur. »The we is more important than the me« – das heißt, das Miteinander wird traditionell großgeschrieben. Dazu kommt, dass es bei uns schon immer viele engagierte Frauen gab, die auch nach einer Babypause wieder in eine Führungsrolle wollten. Frühere Vorreiter:innen haben das Modell erfolgreich etabliert, sodass es heute weiter gefördert wird.
Knauer: Außerdem haben wir eine starke Unterstützung von der Geschäftsführung. Sowohl unser CEO als auch unsere Chief Human Resources Officer stehen voll hinter den Jobsharing-Modellen, weil sie den Wert und die Vorteile erkennen. Es gibt bei uns eine Ansprechpartnerin, die Tandems berät und begleitet. Und wir tauschen uns in internen Netzwerken regelmäßig mit anderen Tandems aus. Das alles schafft eine Umgebung, in der Joint Leadership gedeihen kann.

zfo: Welche Voraussetzungen sollten in einer Organisation gegeben sein, damit Joint Leadership funktionieren kann?
Knauer: Zunächst einmal braucht es Offenheit und Mut, etwas Neues auszuprobieren. Führungskräfte, die ein solches Modell ermöglichen möchten, müssen den Mehrwert sehen.
Laatz: Auch technische Aspekte dürfen nicht unterschätzt werden. Manchmal machen IT-Systeme Probleme, wenn sie zum Beispiel nur einen »Zugang pro User« kennen. Im Idealfall schafft eine Organisation hier pragmatische Lösungen. Und ganz zentral: eine Kultur der Kollaboration. Denn Joint Leadership gedeiht in einem Umfeld, in dem Wissen geteilt wird und wo man daran glaubt, dass Zusammenarbeit die besten Ergebnisse liefert.

 

Joint Leadership gedeiht nur in einem Umfeld, in dem Wissen geteilt wird und wo man daran glaubt, dass Zusammenarbeit die besten Ergebnisse liefert.

zfo: Seht ihr Joint Leadership als ein Zukunftsmodell oder eher als eine Brücke, um mit den aktuellen Herausforderungen klarzukommen, bis wir in der Gesellschaft Leadership ganz anders denken können?
Laatz: Ich bin überzeugt, dass es ein Zukunftsmodell ist. Wir sehen die steigende Komplexität und die Erwartung an Führungskräfte, fast ständig erreichbar und entscheidungsfähig zu sein. Vielen wird das zu viel. Joint Leadership bietet hier eine Antwort, indem man sich die Last teilt.
Knauer: Genau, und wir haben ja bereits Beispiele, in denen Joint Leadership auch auf höheren Managementebenen praktiziert wird. Auch an den Universitäten sehen wir mehr und mehr: Junge Talente haben oft gar nicht mehr den Wunsch, komplett in einer klassischen Vollzeit-Führungsrolle aufzugehen. Sie wollen beides: Verantwortung übernehmen und Zeit für andere Projekte. Da ist Joint Leadership eine echte Option. Ich glaube, dass es nicht nur eine Übergangslösung ist, sondern eine tragfähige, nachhaltige Form moderner Führung.

zfo: Was würdet ihr euch wünschen, um das Shared-Leadership-Modell weiter zu stärken und erfolgreicher zu machen?
Laatz: Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Unternehmen den Mut haben, es auszuprobieren. Gerade die Entwicklung von klaren Prozessen und Coaching-Angeboten für Shared-Leadership-Teams ist wichtig. Es braucht keine Perfektion von Anfang an – man kann daraus lernen und das Modell kontinuierlich weiterentwickeln.
Knauer: Ich würde außerdem gern mehr gemischte Modelle sehen, insbesondere was das Geschlecht angeht. Wenn wir uns vorstellen, wie viel Lernpotenzial darin steckt, wenn Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen gemeinsam führen, dann ist das ein enormer Innovationsmotor. In diesem Sinne wünsche ich mir mehr Offenheit und eine gezielte Förderung solcher Modelle.

zfo: Inwiefern würdet ihr sagen, dass die Kompetenzen, Mindsets und Werte, die im Joint Leadership zentral sind, auch in klassischen Führungsrollen wichtig sind? Könnte es sogar ein »Leadership Development Approach« sein, wenn Unternehmen ihre Führungskräfte zumindest für eine gewisse Zeit in einem Tandem führen lassen, um so eine bessere, effektivere Führungskultur zu etablieren?
Knauer: Ich glaube tatsächlich, dass viele der Kompetenzen und Haltungen, die wir im Joint Leadership verinnerlichen müssen, für jede Form der Führung unerlässlich sind. Dazu gehören zum Beispiel ausgeprägte Kommunikations- und Feedbackfähigkeiten, Vertrauen in das Team und in andere Führungskräfte, Selbstreflexion und die Bereitschaft, Verantwortung zu teilen. Wenn Unternehmen Führungsentwicklung konsequent fördern wollen, könnte es sehr spannend sein, dass Führungskräfte zeitweise im Tandem führen und die damit verbundenen Lernfelder entdecken.
Laatz: Ja, und genau darin sehen wir eine große Chance. Wer einmal erlebt hat, wie bereichernd und gleichzeitig fordernd es ist, wichtige Entscheidungen gemeinsam zu treffen und sich permanent abzustimmen, führt auch später in einer Einzelrolle anders – offener, kooperativer und weniger hierarchiebetont. Wenn mehrere Führungskräfte in einem Unternehmen diese Erfahrung teilen, entsteht auf Dauer eine neue, »bessere« Führungskultur, weil man sich an Offenheit, Vertrauen und gemeinsame Verantwortung gewöhnt. Es wäre also aus meiner Sicht definitiv ein wirksamer Ansatz für Leadership Development.

zfo: Vielen Dank, Charlotte und Karen, dass ihr euch beide die Zeit für dieses Gespräch genommen habt, und weiterhin viel Erfolg als ChaKa.

Hinweis: Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Führung + Organisation. Dort ist der Artikel in der Ausgabe 4/2025 als Gastbeitrag erschienen.

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