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CEO-Kommunikation im Social Network

Über das Verschmelzen von Führung und Kommunikation

  • Juni 2023

Noch vor einer Generation waren die Rollen in vielen großen Unternehmen recht eindeutig verteilt: Der Vorstand fällt die Entscheidung, die Kommunikationsabteilung begründet sie nach innen wie außen und das mittlere Management sorgt für das Alignment innerhalb der Teams. Vor allem die CEOs erläuterten ihren Kurs allenfalls gegenüber den Eigentümer:innen und dem Aufsichtsrat. Seit etwa zwei Jahrzehnten gerät dieses Rollenverständnis ins Wanken, wie verschiedene Analysen von Egon Zehnder zeigen. Mitarbeiter:innen und Bewerber:innen, aber auch Kund:innen, Geschäftspartner:innen und engagierte Verbraucher:innen verlangen mehr von einem/einer CEO als ein Statement in einer Pressemitteilung. Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer:innen sollen erläutern, auf welcher weltanschaulichen Basis sich die Strategie ihres Unternehmens entwickelt. Und sie sollen persönlich für den eingeschlagenen Weg werben.

Führung bedeutet Orientierung geben

​Die Wende vom Shareholder-Kapitalismus, in dem vor allem Profite zählten, zur Stakeholder-Orientierung, in der sich wirtschaftliche Prosperität auch für die Gesellschaft auszahlen soll, verändert die Anforderungen an CEOs und deren Kommunikation. Laut der Kommunikationsagentur Edelman wünschen sich im Schnitt 80 % der Befragten in 28 Ländern, dass sich CEOs zu politischen Themen äußern und die Aktivitäten ihres Unternehmens zum Wohle der Gesellschaft darlegen.1 Für CEOs geht dieses Mehr an Verantwortung mit einer Chance einher: Indem Botschaft und Botschafter:in verschmelzen, steigt die Relevanz. Entscheidungen erhalten ein Gesicht, was in einer von Krisen, Disruptionen und Divergenzen geprägten Zeit dazu beiträgt, in der Breite des Unternehmens ein gemeinsames Verständnis für das Notwendige zu schaffen. Kommunikationsstarke CEOs stärken die Integration der Teams, klären Erwartungen und prägen im besten Fall Kommunikationsstrukturen mit, in denen Transparenz und Redlichkeit herrschen. Sie motivieren Mitarbeiter:innen und verleihen der gemeinsamen Arbeit Sinn. Insofern ist Kommunikation eine der wesentlichen Kompetenzen von Manager:innen. Erst durch sie wird Führung wirksam. Außerdem können CEOs durch persönliche Kommunikation das Vertrauen der externen Stakeholder:innen stärken und die öffentliche Wahrnehmung erhöhen. Die Ausgangslage dafür ist günstig: Weltweit vertrauen die Menschen mehrheitlich eher der Wirtschaft als ihren Regierungen.2 In demokratisch verfassten Gesellschaften muss das als Krisensymptom gelten. Doch umso mehr stehen seriöse Führungspersönlichkeiten in der Verantwortung, das entstandene Vakuum nicht den Selbstdarsteller:innen und Populist:innen zu überlassen. ​

Kommunikation ist eine der wesentlichen Kompetenzen von Führungspersönlichkeiten. Erst durch sie wird Führung wirksam.

Tektonische Verschiebungen bei den Medien

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach den Medien der Kommunikation. In vielen Unternehmen scheint es noch immer als Goldstandard zu gelten, wenn der/die Chef:in ausführlich in der überregionalen Wirtschaftspresse zu Wort kommt. Lineare Qualitätsmedien wie diese werden allerdings von einer Elite konsumiert, die nur einen Bruchteil des interessierten Publikums ausmacht. Selbst das Massenmedium Fernsehen spielt für die Generationen X, Y und Z immer seltener eine Rolle. Zur Einordnung: Zwar lobt sich das ZDF nach jeder Ausgabe von »Markus Lanz« für einen »hervorragenden« oder mindestens »sehr guten« Marktanteil3 bei den 14- bis 49-Jährigen. In nackten Zahlen bedeutet dies allerdings, dass kaum mehr als 200.000 Menschen zwischen 14 und 49  Jahren eingeschaltet hatten. Wirtschaftslenker:innen sollten sich also nicht zu viel versprechen, wenn sie sich zur Teilnahme an TV-Talkshows überreden lassen. Jüngere Menschen – also die Zielgruppe von Arbeitgebern – bevorzugen Medien, die Diskurs in Echtzeit ermöglichen. Sie wollen Reaktionen auf ihre individuellen Beiträge sehen, statt einer Einbahnstraßenkommunikation beizuwohnen.

Soziale Medien als Ultima Ratio?

Relevanz entsteht heute auch anderswo: in sozialen Medien. Dort setzen erfolgreiche Kommunikator:innen ihre Themen selbst, entscheiden eigenständig und ungefragt, wann sie sich äußern und laden ihre Follower:innen geschickt zum Gespräch ein. CEOs reagieren auf dieses Treiben auf außerordentlich unterschiedliche Weise. Auf der einen Seite stehen die »Popstars« der Wirtschaft, deren teilweise egozentrische Tweets regelmäßig für Aufsehen sorgen. Mitunter genügen ein paar Social-Media-Beiträge sogar, um die Finanzmärkte in Aufruhr zu versetzen oder die Reputation großer Unternehmen zu beschädigen. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen CEOs, die gleichgültig und uninteressiert auf die sozialen Medien blicken. Eine Recherche von Egon Zehnder hat ergeben, dass kaum ein:e DAX-40-CEO auch nur über ein Profil auf Twitter, Instagram, Facebook, Snapchat oder TikTok verfügt.

Prozentanteil der DAX-40-CEOs mit Social Media Accounts bei …

Quelle: Egon Zehnder Analyse

Das wirft Fragen auf: Folgt die Abstinenz einer rationalen und pragmatischen Analyse, inwieweit bestimmte Kanäle der eigenen Unternehmenskommunikation nützen können? Oder liegt eine diffuse persönliche Abneigung seriöser Leader gegenüber diesen Medien zugrunde, deren Mechanismen häufig dem »Geplapper« sogenannter Influencer:innen Erfolg bescheren? Gut drei Viertel der DAX-CEOs äußern sich zumindest gelegentlich auf LinkedIn. Doch von einer intensiven Nutzung kann auch hier bei den meisten keine Rede sein. Die Top 5 unter den CEOs, die LinkedIn beigetreten sind, bringen es im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahre auf rund acht Einträge im Monat. Mehr als die Hälfte der CEOs nutzen das Medium entweder gar nicht oder eher diskontinuierlich. Nennenswerte Gefolgschaften entwickeln sich so nicht. Ola Källenius (Mercedes-Benz), der die Liste anführt, kommt auf immerhin 185.000 Follower:innen. Auch Roland Busch (Siemens) erzielt deutlich bessere Werte als der Median aller DAX-40-CEOs. Der internationale Vergleich fällt allerdings ernüchternd aus: Elon Musk (Tesla) bringt es auf dem von ihm erworbenen Kurznachrichtendienst Twitter auf über 100 Millionen Follower:innen.

Auf sozialen Medien, die 14- bis 49-Jährige ansprechen, sind die CEOs der DAX-40-Unternehmen eher unterrepräsentiert.

Ebenen der CEO-Kommunikation

Die Polarität zwischen jenen CEOs, welche die sozialen Medien für ihre Zwecke nutzen, und denen, die ihnen fernbleiben, ist auch unter regionalen Gesichtspunkten interessant. In den USA beispielsweise ergreifen Leader die Gelegenheit gern, ihre Ansichten in sozialen Medien nach ihren eigenen Spielregeln kundzutun. Die Rezipient:innen können auf die Beiträge reagieren, was sie zu Mitautor:innen macht. Aus ihren Likes und Kommentaren wiederum ergibt sich direktes Feedback, das CEOs im eigenen Arbeitsumfeld oftmals nur gefiltert erhalten. Viele dieser socialmediaaffinen Leader gehen ihre Aktivitäten strategischer an als der Exzentriker Elon Musk und erzielen auch mit einem gemäßigten Tonfall beachtliche Reichweiten. Die Kommunikation verläuft in der Regel auf drei Ebenen, wobei sich die Schwerpunkte von CEO zu CEO unterscheiden. In diesem Zusammenhang sei an Paul Watzlawick erinnert. Der österreichische Philosoph stellte schon vor 80  Jahren fest, dass jede Kommunikation neben dem inhaltlichen einen Beziehungsaspekt hat. Watzlawick zufolge ist deshalb auch Schweigen eine Aussage: Ausbleibende Kommunikation kann beispielsweise Desinteresse signalisieren oder als Eingeständnis von Ratlosigkeit verstanden werden. Auch im Sinne von Niklas Luhmanns Systemtheorie müsste den Spitzen der Wirtschaft daran gelegen sein, in einflussreichen sozialen Netzwerken vertreten zu sein. Denn laut dem Bielefelder Soziologen prägen die Massenmedien das soziale Gedächtnis einer Gesellschaft. Sie legen die Basis aller Realitätsannahmen, die in einer Kommunikation als bekannt vorausgesetzt werden können.

Abb. 2 Anzahl der Follower:innen bei den LinkedIn Accounts der Top 5 unter den DAX-40-CEOs

Abb. 3 Anzahl der LinkedIn Posts der Top 5 DAX-40-CEOs im Vergleich (6 Monate vs. 2 Jahre)

Nicht zuletzt verwundert die digitale Abstinenz der CEOs in der öffentlichen Debatte, weil sie den eigenen positiven Erfahrungen mit der internen Kommunikation widerspricht. In Gesprächen mit Egon Zehnder bestätigen Führungspersönlichkeiten immer wieder, dass sie digitale Kanäle zum Dialog mit den Mitarbeiter:innen nutzen  – und dass sich dieses Engagement auszahlt. Die Menschen fühlten sich ernst genommen, die Identifikation mit den Unternehmenszielen steige und das Feedback zeige, wie wichtig der eigenen Mannschaft die Positionierung in gesellschaftlichen Debatten sei. Die Mitarbeiter:innen wollten wissen, wohin sich das Unternehmen in der angespannten geopolitischen Lage entwickele, wie es im Wettbewerb stehe, wo die Herausforderungen lägen und dergleichen mehr. Äußerungen zu öffentlichen oder politischen Themen bergen aber auch ein hohes Risiko, sich missverständlich oder ungünstig zu positionieren. Distanzieren sich Wirtschaftslenker:innen beispielsweise nur halbherzig von totalitären Staaten, da sie die Vergeltung des Regimes befürchten, beschädigt dies die Glaubwürdigkeit von Unternehmen.

 Individuell   
  • Ich zeige mich als Mensch, der sich entwickelt, persönliche Erfolge feiert und durchaus auch Zweifel hegt.
  • Ich gestatte Einblicke in meine Gedanken und Erkenntnisse.
  • Ich schaffe mit Anekdoten aus meinem privaten Leben Nähe.
 Unternehmen   
  • Ich verkünde und kommentiere die Ergebnisse des Unternehmens.
  • Ich lobe andere für ihre Leistungen.
  • Ich präsentiere Produkte, Services, neue Mitarbeiter:innen etc.
 Gesellschaft   
  • Ich beziehe Stellung in politischen Debatten.
  • Ich äußere mich aus eigenem Antrieb zu Themen der Nachhaltigkeit.
  • Ich stehe für ein bestimmtes Wertesystem.

Abb. 4 Verschiedene Ebenen der CEO-Kommunikation

Der Verzicht auf die Kommunikation über digitale Kanäle stellt eine verpasste Chance, positive Beziehungen herzustellen, dar.

Herausforderungen jeder Social-Media-Strategie

Die persönlichen Botschaften von CEOs entwickeln und bewahren auf Dauer allerdings nur Relevanz, wenn sie authentisch wirken. Das gilt gleichermaßen für die interne als auch die externe Kommunikation. Die Social-Media-Strategie muss daher zum Charakter, zu den Überzeugungen und zum Stil des/der CEO passen. Eine weitere Voraussetzung dafür, eine gewisse Reichweite zu erzielen, sind regelmäßige, sinnvolle und genuine Beiträge. Wer lediglich die offiziellen Unternehmensverlautbarungen teilt, wird kaum Gefolgschaft aufbauen. Zudem sollten sich CEOs hüten, unrealistische Kommunikationsziele anzustreben. Recherchen von Egon Zehnder lassen die Hypothese zu, dass CEOs von Unternehmen mit direktem Kontakt zu Verbraucher:innen (B2C) tendenziell mehr Follower:innen gewinnen als CEOs in B2B-Konstellationen. Die schwierigste Aufgabe besteht allerdings wohl darin, ein Wir-Gefühl zu erzeugen. Grundlage dafür ist, dass der/die CEO die richtige Balance zwischen Erkenntnis und Reflexion findet. Das heißt, Führungspersönlichkeiten sollten auf Basis erkennbarer Prinzipien Stellung beziehen, ohne sich als omnipotent zu gebärden. Sie sollten verdeutlichen, dass Einschätzungen sich mit dem Wissensstand ändern können und dass diese Agilität nichts mit Opportunismus zu tun hat, sondern im Gegenteil mit Stärke.

Kurz und bündig

  • CEOs müssen verstärkt die Rolle von Kommunikator:innen einnehmen.
  • Viele bedienen sich nach wie vor linearer Medien.
  • Vor allem in Deutschland nutzen die wenigsten CEOs bidirektionale Kanäle.
  • Eine Social-Media-Strategie sollte auf Authentizität setzen.

Anmerkungen

12022 Edelman Trust Barometer – The cycle of distrust, https://www.edelman.com/trust/2022-trust-barometer (letzter Zugriff: 02.01.2023).
22022 Edelman Trust Barometer, a.a.O.
3Quotenmeter »Markus Lanz«, https://www.quotenmeter.de/tag/markus+lanz (letzter Zugriff: 02.01.2023).

 

Hinweis: Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Führung + Organisation. Dort ist der Artikel in der Ausgabe 2/2023 als Gastbeitrag erschienen.

Themengebiete in diesem Artikel

Verfasst von
Wasko Rothmann
Wasko Rothmann
Berlin
Wasko Rothmann ist Berater im Berliner Büro von Egon Zehnder und Teil der Industrie Praxisgruppe.
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Heiko Wolters
Heiko Wolters
Stuttgart
Heiko Wolters berät vornehmlich Unternehmen aus dem Industriesektor, insbesondere aus der Automobilindustrie und dem Maschinenbau sowie verwandten…
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Max Reichel
Max Reichel
Berlin
Max Reichel ist Experte im Leadership Advisory Team von Egon Zehnder in Berlin und unterstützt die Weiterentwicklung von Führungspersönlichkeiten und Führungsteams sowie kulturelle und organisatorische Transformationen in internationalen Unternehmen. Vor seinem Eintritt bei Egon Zehnder war er im Data Science tätig und trieb bei Biogen in der Schweiz die Multichannel-Bemühungen und die KI-Integration voran. Max Reichel hat in vielen Ländern rund um den Globus gelebt und gearbeitet und ist ein ehemaliger Leistungssportler, der jede Aktivität im Freien genießt, insbesondere im Wasser.
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