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CEOs

Anpassungsfähig, reflektiert, nahbar

CEOs in einer hyperkomplexen Welt

  • Oktober 2021

Die Rahmenbedingungen von Führung haben sich geändert und mit ihnen das Anforderungsprofil von CEOs. Der eiserne Macher dankt ab. Gefragt sind Persönlichkeiten, die sich im Business rasch und entschieden adaptieren, die offen mit sich selbst und anderen umgehen können und sich als nahbar und beziehungsfähig erweisen.

In der Pandemie haben viele Unternehmen die Frage hintangestellt, wer der oder dem aktuellen CEO nachfolgen soll: 2020 kam es in nur 8 % der größten deutschen Unternehmen zu einem Wechsel an der Spitze. In den Jahren 2018 und 2019 hatte es jeweils noch etwa doppelt so viele neue CEOs gegeben (vgl. Abb. 1). Dieses Ergebnis einer Studie von Egon Zehnder ist nicht verwunderlich, weil CEOs und ihre Unternehmen in der Krise zusammengerückt sind. Nichtsdestoweniger legt die Zahl nahe, dass sich in den kommenden Monaten und Jahren zahlreiche Unternehmen gleichzeitig um neues Führungspersonal bemühen werden. 

Verstärkt wird diese Annahme durch eine Beobachtung: Der „harte Hund“, der kompromisslos allein die vermeintlichen Interessen des Unternehmens durchsetzt, hat ausgedient. Immer wieder kommt es seit einigen Jahren zu spektakulären Rücktritten von CEOs. Der Anlass liegt häufig in Entscheidungen, die ausschließlich auf einem kurzfristigen geschäftlichen Vorteil beruhen und in der Öffentlichkeit Empörung auslösen. Die Folge ist ein Reputationsschaden, der dem Aufsichtsrat oft keine andere Wahl lässt, als sich vom CEO zu trennen, weil sich solche Vorkommnisse stärker als in der Vergangenheit unmittelbar auf die langfristige wirtschaftliche Performance auswirken. Diese Entwicklung weist auf die Notwendigkeit, sich besser auf die Übergabe des CEO-Postens vorzubereiten. Dazu gehört auch, sich darüber klar zu werden, welcher Typ Mensch künftig an der Spitze stehen soll.

Ein vielstimmiger Chor

Ein Beispiel: Zwar mussten CEOs immer schon das Stakeholder-Management im Blick haben. Doch der Chor kritischer Stimmen ist heute ungleich größer und einflussreicher als noch vor wenigen Jahren. Noch bis vor Kurzem genügte es der Führungsriege eines börsennotierten Unternehmens, dem Gegenwind erboster Anleger:innen zu widerstehen, die ihren Shareholder-Value bedroht sahen. War die Hauptversammlung vorüber, ebbte idealerweise auch das Interesse der Presse ab. Mittlerweile finden Stakeholder Gehör, die ein mächtiger CEO einst so gut wie ignorieren konnte. Die Bandbreite reicht von Schüler:innen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, bis zu den Anhänger:innen des ehemaligen US-Präsidenten, die vermeintlich die nationalen Wirtschaftsinteressen in Gefahr sehen. Disruptor:innen, die von einer vermeintlich besseren Vergangenheit träumen, stehen Nichtregierungsorganisationen gegenüber, die sich dagegen wehren, die Welt als eine Art Profit-Center für Privilegierte zu betrachten. Gehör verschaffen sich Akteur:innen jedweder Couleur über soziale Medien – in rasender Geschwindigkeit und oft über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinweg.

Die Unternehmen können sich aus diesen Debatten nicht heraushalten. Sie werden selbst aktiv, beispielsweise indem sie nachhaltiges und soziales Handeln nicht nur propagieren, sondern vorleben. Gerade Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung erweisen sich immer mehr als harte Faktoren des wirtschaftlichen Erfolgs. Ob sich daraus Vorteile im Wettbewerb ergeben oder vielmehr Nachteile, hängt von der Unternehmensführung, der Unternehmenskultur und der Unternehmensstrategie ab. Und damit auch von der Rolle der Führungspersönlichkeit an der Spitze: Wer die Stakeholder und ihre Belange unterschätzt, verprellt die künftige Kundschaft und schreckt unter Umständen auch Talente ab, die für Schlüsselpositionen im eigenen Unternehmen infrage kämen.

Gerade Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung erweisen sich immer mehr als harte Faktoren des wirtschaftlichen Erfolgs.

Disruptionen im Betriebsablauf

Weitere Faktoren für die Risse, die das Leitbild eines oder einer allmächtigen, allwissenden Vorstandsvorsitzenden erfahren hat, sind die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts sowie Veränderungen im Konsumverhalten. Die digitale Revolution beispielsweise erschüttert eine ganze Reihe von Branchen in ihren Fundamenten und zwingt die Führung in immer kürzeren Abständen zu existenziellen Entscheidungen. Dies schlägt sich auch in der Führung selber nieder. Die Verweilzeiten von CEOs werden zunehmend kürzer: Waren in Deutschland beispielsweise im Jahre 2015 noch über 85 % der CEOs im Amt, die 5 Jahre zuvor bestellt worden waren, lag diese diese Quote Anfang 2020 bei nur 50 %. Gerade in den von Veränderungen betroffenen Wirtschaftszweigen, wie der Automobilbranche, zeigt sich dieser Trend besonders stark (vgl. Abb. 2).

Viele Unternehmen werden sogar nur überleben, wenn sie ihre Geschäftsmodelle transformieren. Neben der Digitalisierung mit all ihren Chancen und Herausforderungen bringen Verbrauchertrends scheinbar Festgefügtes ins Wanken. Während in Schwellenländern zum Beispiel die Nachfrage nach Fleisch weiter steigt, wollen immer mehr Menschen in den klassischen Absatzmärkten tierische Produkte substituieren. So setzen viele Fahrzeughersteller weiterhin auf den klassischen Automobilverkauf, während Car-Sharing Konzepte zunehmen und viele Jugendliche gar nicht mehr über einen Führerschein
nachdenken.

Für die Umsetzung von mutigen Strategien braucht es die Expertise und Courage von Mitarbeitenden vor Ort, für deren Arbeit ein CEO Räume schaffen und Allianzen schmieden muss. Es gilt, nach innen und außen Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn einschneidende Veränderungen gehen häufig auch zulasten der gegenwärtigen Profitabilität. Der Mann oder die Frau an der Spitze muss den Stakeholdern das Warum und Wofür langfristiger Pläne vermitteln können.

CEOs im Rampenlicht

Nicht zuletzt stehen CEOs atemberaubenden Polarisierungen gegenüber. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie fragil internationale Bündnisse sind, wie die Demokratien unter einem populistischen Dauerfeuer leiden und wie erratische Weltbilder auf beiden Seiten des Spektrums Gesellschaften zu zerreißen drohen. Halbwissen und mediales Geschick genügen, um mit ungeheurem Lärm Wissenschaft und Forschung zu diskreditieren und Verschwörungsmythen zu verbreiten.

Großen Unternehmen kommt in dieser Gemengelage plötzlich die Aufgabe zu, Haltung zu zeigen.

Großen Unternehmen kommt in dieser Gemengelage plötzlich die Aufgabe zu, ihre globale Präsenz und ihre Stärke in Stellung zu bringen und Haltung zu zeigen. Denn moralische und intellektuelle Totalausfälle in der Politik schaffen ein Vakuum, das gefüllt werden muss – im Wettstreit mit ebenso plumpen wie gefährlichen Versuchen, nationale Interessen zu konstruieren und durchzusetzen. CEOs müssen Orientierung schaffen, indem sie komplexe Sachverhalte durchdringen und ihren Ansichten Gehör verschaffen. Das ist umso wichtiger, als die Bandbreite der Stakeholder, wie bereits beschrieben, dramatisch zugenommen hat. In einer solchen Situation eine klare Stimme zu erheben, die im Gewirr der polarisierenden Meinungsvielfalt gehört wird, ist eine echte Kunst. Hier spielt Social Media eine zentrale und zunehmend wichtigere Rolle.

CEOs auf Social Media

Zusammen mit der Unternehmensberatung Kearney hat Egon Zehnder vor wenigen Monaten die Präsenz von deutschen CEOs in Social-Media-Kanälen untersucht. Am ehesten findet man die Vorstandsvorsitzenden der 30 DAX-Unternehmen noch im beruflichen Netzwerk LinkedIn – etwas mehr als die Hälfte hat dort ein eigenes Profil. 23 % der DAX-Chefs nutzen den Kurznachrichtendienst Twitter. Abgeschlagen sind Instagram und Xing mit 17 bzw. 13 %.

Ein Account allein bringt allerdings wenig: Die deutschen Spitzenmanager:innen müssen die sozialen Medien entweder aktiv nutzen oder gar nicht – jedoch nicht nur halbherzig. Dafür braucht es CEOs, die in der Lage sind, sich selbst einzubringen und Antworten zu finden und vorzuleben, die Sinn machen. Deshalb tritt ein nahbarer CEO in einen unmittelbaren und persönlich gestalteten Dialog mit Stakeholdern. Zum einen weil er mit dieser Nahbarkeit die Marke verstärkt. Zum anderen weil die Polaritäten, mit denen er heutzutage zu tun hat, letztendlich nur von einer Führungspersönlichkeit bespielt werden können, die sich stetig weiterentwickelt und gelernt hat, neugierig, authentisch, offen und lernbereit zu sein.

Impulse für die Praxis

  • Unternehmen sollten ihre Nachfolgeprozesse neu aufsetzen und oft unzureichende Automatismen aus der Vergangenheit hinter sich lassen. 
  • Bei der Wahl des oder der CEO kommt es bei den Kandidat:innen auf ein Profil an, das weit über klassische Kompetenzen hinausgeht.
  • CEOs von heute distanzieren sich vom Anspruch der Omnipotenz, schaffen Raum und machen den Weg für die besten Manager:innen im Unternehmen frei.
  • Um neuen Herausforderungen kreativ zu begegnen, braucht es eine Unternehmensspitze, die sich ständig weiterentwickelt und deshalb in der Lage ist, agil zu (re-)agieren.
  • Dazu gehört ein Bündel an Eigenschaften, die sich entwickeln lassen: Integrationsfähigkeit, Demut, Selbstreflexion, Neugierde und Beziehungsfähigkeit.

Freilich befinden sich Unternehmenslenker:innen damit aber häufig in einer Zwickmühle: Werte, die in einer Weltregion hochgehalten werden, werden in einer anderen geleugnet. Wie gelingt es dennoch, hier wie dort einen Dialog mit allen Stakeholdern zu führen und zugleich die Erwartungen der Shareholder an die Profitabilität zu erfüllen?

 

Eine agile Kultur beginnt an der Spitze 

Eine wesentliche Antwort liegt bei den CEOs selbst, in ihrer Persönlichkeit und ihrer eigenen Weiterentwicklung. Die besten unter ihnen legen eine Haltung an den Tag, die auf die nachhaltige Wertschöpfung eines Unternehmens ausgerichtet ist. Dazu schaffen sie eine offene Kultur des Lernens, in der sich Veränderungen schnell und zielgerichtet realisieren lassen. Eine solche Kultur ist immer werteorientiert und basiert auf einem Purpose, der über den unmittelbaren Geschäftssinn hinausweist. 

Doch Kultur ist nur ein Eckpfeiler für eine erfolgreiche Unternehmung. Dreh- und Angelpunkt ist der oder die CEO selbst. Wo befindet er oder sie sich auf dem persönlichen Lebens- und Karrierepfad? Die Beantwortung dieser Frage ermöglicht eine ehrliche und tiefreichende Selbstreflexion, die Teil einer ständigen Weiterentwicklung ist. Sie erfordert aber auch, dass sich ein oder eine CEO öffnen kann, was wiederum Voraussetzung dafür ist, sich neuen Gegebenheiten anzupassen und in kritischen Situationen klug zu agieren.

Wie wichtig das ist, offenbart die Corona-Krise. Die Pandemie wirkt wie ein Katalysator notwendiger Reformen, weil sich Entwicklungen von Jahren plötzlich in Monaten abspielen. Unserer Erfahrung nach agieren in diesem außergewöhnlichen Härtetest jene CEOs erfolgreich, die trotz der Widrigkeiten unablässig Chancen erkunden, während das Tempo der Veränderung andere CEOs aus der Bahn wirft.

 

Demut und Diversität

Den Herausforderungen einer hyperkomplexen Welt vermag kein Unternehmensoberhaupt allein zu begegnen. CEOs müssen erkennen: Ihre operative Erfahrung und erwiesene Expertise bilden nur noch den Grundstock, um einer Unternehmung Erfolg zu sichern. Hinzu kommt mehr denn je, die richtigen Spitzenmanager:innen um sich zu scharen und die gesamte Unternehmung – wie ein Dirigent von Weltrang – zu orchestrieren. Es steht CEOs gut an, diese Herausforderung offen zu thematisieren: „Ich weiß nicht alles besser, aber ich weiß, was ich zu welchem Zeitpunkt in Erfahrung bringen muss. Ich habe nicht immer eine Lösung parat, aber ich versammele die Expert:innen um mich, die mir bei unserer Unternehmung helfen können.“ 

Gefragt sind also Anführer:innen, die das Gestaltungspotenzial ihres Teams kennen, Kreativität zulassen und damit auf das Zusammenspiel aller setzen. Dies erfordert eine Offenheit für „andere“ Lösungen und auch Fehlertoleranz. Moderne CEOs orchestrieren gleichsam das Know-how ihrer Mitarbeitenden – und dies unternehmensübergreifend. Dabei achten sie darauf, gerade die Stimmen mit kontroversen Meinungen und anderen Herangehensweisen ins Team zu holen. Denn nur so stellen sie sicher, kreativ auf neue Wettbewerber zu reagieren, bei der Integration neuer Technologien alternative Wege zu beschreiten und Trends zu erspüren, die konservative Geister als vorübergehende Spinnerei abtun.

Moderne CEOs orchestrieren gleichsam das Know-how ihrer Mitarbeitenden – und dies unternehmensübergreifend.

Zahlreiche Studien – auch von Egon Zehnder – konnten zeigen, dass Unternehmen erfolgreicher wirtschaften, wenn sie Vielfalt anstreben, statt sie lediglich zu dulden. So anstrengend Diversität mitunter sein mag: Sie führt nachweislich zu solideren Lösungen und einer höheren Akzeptanz über den Kreis der Entscheidungsträger hinaus. Menschen unterschiedlichen Geschlechts und mit verschiedenen Erfahrungs- und Migrationshintergründen gehören in verantwortliche Positionen und Vorstände. Daran führt kein Weg vorbei. Unternehmen, die es mit Aufbruch und Nachhaltigkeit ernst meinen, sollten jene toxischen Bünde aufbrechen, in denen sich Menschen mit ähnlichen Ansichten, ähnlicher Sozialisation und ähnlicher Ausbildung gegenseitig die Steigbügel halten – und über kurz oder lang Gefahr laufen, den Anschluss zu verlieren. In einer aktuellen Egon Zehnder Analyse von mehreren Hundert Unternehmen in Deutschland (u. a. DAX, M-DAX und S-DAX sowie größere Familienunternehmen) zeigt sich, dass noch Nachholbedarf besteht: Gender-Diversity oder internationale Herkunft sind bei den bestehenden CEOs in Deutschland noch wenig ausgeprägt (vgl. Abb. 3 und Abb. 4).

Neugierig bleiben und lernen wollen

Um die Rolle an der Spitze ausfüllen zu können, bedarf es nicht nur einer Haltung des Lernen-Wollens und der Wertschätzung, die Mitarbeitende Lust am Mitdenken und Über-den-Tellerrand-Blicken verspüren lässt. Es bedarf einer oder eines CEO, der oder die ständig an sich selbst arbeitet, sich weiterentwickelt und so in der Lage ist, Neuerungen authentisch zu lancieren. Mitarbeitende spüren, ob das Spitzenpersonal authentisch ist und aus eigenem Antrieb handelt oder Phrasen drischt.  

Zu den Eigenschaften moderner CEOs gehört genuine Neugierde. Beispiel Meeting: Regelmäßige Zusammenkünfte oder Projekt-Kick-offs werden dann fruchtbar, wenn eine Atmosphäre des Zuhörens und des Austauschs herrscht. Führungskräfte geben gerne vor, ergebnisoffen zu diskutieren, dominieren dann aber und lenken in ihre gewünschte Richtung. Anstatt Antworten zu geben, sollten Chefs und Chefinnen mehr Fragen stellen. Und sie sollten bereitwillig von ihren Teammitgliedern lernen, statt ihnen nur dann zuzuhören, wenn es ein aktuelles Problem zu lösen gibt. Dazu gehört allerdings, in der eigenen Weiterentwicklung gelernt zu haben, die eigenen Denkmuster zu hinterfragen und Anregungen auch dann ernst zu nehmen, wenn sie auf den ersten Blick fremdartig oder gar konträr erscheinen. Nur das ermuntert Mitarbeitende, kreative Ideen zu entwickeln und vorzutragen.

Beziehungen eingehen und Vertrauen aufbauen

Manche Führungspersönlichkeit hält es bereits für einen Beleg für „flache Hierarchien“, wenn sie sich von ihren Teammitgliedern duzen lässt. Ein belastbares, von Respekt geprägtes Verhältnis zu Untergebenen hat aber nichts mit derlei Äußerlichkeiten zu tun. Egoman:innen senden auch als vermeintliche Duzfreund:innen unterschwellig die Botschaft: „Hätte ich nur ausreichend Zeit, könnte ich deinen Job besser erledigen.“ Moderne CEOs hingegen vermitteln eine simple, aber wichtige Einsicht: „Du bist mir wichtig und für das Unternehmen von strategischer Relevanz, deine Expertise überzeugt, ich bin gespannt auf die weitere Arbeit mit dir und schätze deinen Rat.“

Es ist also kein Makel, sondern ganz im Gegenteil eine Grundvoraussetzung von Führung, die eigenen Grenzen zu erkunden und offen einzugestehen. Denn selbstverständlich wird eine Führungspersönlichkeit nicht zum omnipotenten Ideengeber, nur weil an der Tür „Büro des Vorstands“ steht. Besonders sichtbar wird dies in Krisenzeiten. Es kommt selbst in globalen Unternehmen mit Tausenden Angestellten gut an, wenn CEOs ihre eigene Limitationen zeigen, statt sich angesichts einer Bedrohung wie Corona als unantastbar zu inszenieren. Ein persönlicher, menschlicher Tonfall und das Eingeständnis, fehlbar zu sein sowie der Unterstützung anderer zu bedürfen, schaffen Nähe. Das schließt das Vorgeben von Richtung nicht aus. 

 

Die neuen Unternehmensführer – ein Fazit

Moderne CEOs fördern Mitarbeitende, die wie Mitunternehmer:innen denken und aufgrund ihrer Unabhängigkeit und Expertise Vertrauen verdienen. Als Primus oder Prima inter pares teilen echte Führungskräfte bereitwillig ihre Macht. Sie sind sich bewusst, dass sich Top-down-Entscheidungen, wie sie in der Vergangenheit üblich waren, angesichts der beschriebenen Rahmenbedingungen verbieten. In einer hyperkomplexen Welt müssen lokale und regionale Lösungen für lokale und regionale Herausforderungen erlaubt und erwünscht sein.

In einer hyperkomplexen Welt müssen lokale und regionale Lösungen für lokale und regionale Herausforderungen erlaubt und erwünscht sein.

Für den Aufbau belastbarer Beziehungen auch zu Teammitgliedern, die andere Wertvorstellungen mitbringen, sollten CEOs über eine gewisse Weltläufigkeit verfügen. Es genügt nicht, nacheinander das Controlling, die Finanzbuchhaltung und die Treasury-Abteilung desselben Unternehmens im Sinne einer Kaminkarriere kennenzulernen. Potenzielle Vorstände sollten Erfahrungen außerhalb der eigenen Komfortzone sammeln, etwa intern in anderen Regionen, Funktional- oder Geschäftsbereichen oder extern in anderen Unternehmen in benachbarten Branchen – möglicherweise auch bei den eigenen Lieferanten. Zusätzlich sollten Unternehmen auf Talente setzen, die von vornherein einen anderen kulturellen oder sozialen Hintergrund aufweisen, da Perspektivenreichtum die Güte von Entscheidungen fördert. 

Die neuen Anführer und Anführerinnen begreifen Volatilität als normal. Statt Zukunftsängste zu nähren, adaptieren sie ganze Geschäftsmodelle und nehmen die Mitarbeitenden, aber auch andere Stakeholder auf dem Weg mit. Um im Wettbewerb innovativ und schlagkräftig zu bleiben, stärken sie den Zusammenhalt aller Kompetenzbereiche und Organisationseinheiten. Sie schaffen einen Schirm, unter dem alle gemeinsam Sinn stiften und für Nachhaltigkeit eintreten. Denn Unternehmen können sich nicht mehr distanzieren. Ihre Wertschöpfung ist eng verflochten mit sozialen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen und interessengruppen. Die neue Rolle der CEOs ist so ehrfurchtgebietend wie spannend: Sie müssen wie eh und je Profitabilität garantieren – und zugleich über die Grenzen des Unternehmens hinaus die Zukunft gestalten. 

Datengrundlage: Die empirische Grundlage des Beitrages sind rund 2.000 CEO Mandate und rund 10.000 CEO-Kandidatenbewertungen sowie Gespräche mit den Personalausschüssen von Aufsichtsräten und Beiräten, die Egon Zehnder in den letzten fünf Jahren weltweit durchgeführt hat. Vor dem Hintergrund analysiert Egon Zehnder regelmäßig, was einen erfolgreichen CEO ausmacht. 


Zusammenfassung
In den kommenden Jahren werden Unternehmen vermehrt nach Kandidat:innen für den CEO-Posten suchen. Diese Prognose beruht auf zwei Beobachtungen. Erstens scheint es seltener als früher zu gelingen, die Nachfolge an der Spitze längerfristig zu regeln. So jedenfalls lässt sich eine Studie von Egon Zehnder deuten, der zufolge sich die durchschnittliche Amtszeit von CEOs erheblich verkürzt hat. Zweitens läuft die Zeit der „eisernen Macher“ ab, worauf etliche Neubesetzungen von CEO-Positionen hindeuten. An die Stelle dieses Typus treten Führungspersönlichkeiten, die integrierend führen, mit genuiner Neugierde zuhören, die über Unternehmensgrenzen hinaus netzwerken und die ihr Business sowie sich selbst an immer neue Herausforderungen flexibel anpassen. Genannt seien beispielhaft die zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die Rivalität zwischen Demokratie und Autokratie sowie der stärkere Einfluss von Stakeholdern aus der Zivilgesellschaft. Kurzum: Das Anforderungsprofil von CEOs wandelt sich, und Unternehmen müssen vor diesem Hintergrund über neue Führungsprofile nachdenken und klare Nachfolgeprozesse anstoßen.

Abstract
In the coming years, companies will increasingly search for candidates to fill the CEO position. This forecast is based on two observations. Firstly, it seems that succession at the top has become less likely to be arranged on a longer-term basis than in the past. This is what a study by Egon Zehnder seems to suggest, according to which the average tenure of CEOs has shortened considerably. Secondly, the era of the »iron hero« is drawing to an end, as indicated by a number of resignations. This type of CEO is being replaced by executives who foster integration, listen with genuine curiosity, who network beyond corporate boundaries, and who flexibly adapt their business and themselves to ever new challenges. Examples include the increasing division of society, the rivalry between democracy and autocracy, and the growing influence of stakeholders from civil society. In short, the job profile of CEOs is changing, and companies need to think about new leadership profiles initiating clear guidelines for CEO successions.

Veröffentlichung auf unserer Website mit freundlicher Genehmigung von Zeitschrift
Führung + Organisation
. Quelle: zfo 05/2021

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