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CEO-Kompetenzen

  • Februar 2019

Der CEO eines Unternehmens trägt die Verantwortung für die – möglichst nachhaltige – Entwicklung des Unternehmens, für die Mitarbeiter sowie für die Verankerung der Organisation in der Gesellschaft. Der CEO hat die Letztverant­wortung für alle wichtigen, vor allem die zukunftsweisenden strategischen Entscheidungen des Unternehmens. Dieses hohe Maß an Verantwortung erfordert vom CEO größte Stabilität in seiner Persönlichkeit und außergewöhnliche Fähigkeiten zur Führung.

Von Bedeutung ist die faktische Alleinstellung des CEO; die wenigen beobachtbaren Fälle, in denen der CEO der Primus inter Pares in einem funktionierenden wirklichen Organ ist, sind davon ausgenommen.

Er hat somit keine Kollegen auf der gleichen Ebene. In dieser Alleinstellung muss der CEO heute weit mehr leisten, als die Organisation nur zu führen. Fast immer muss er das Unternehmen stark verändern, und das nicht nur in Krisenzeiten, sondern als proaktive Anpassung an ein sich ständig wandelndes Umfeld. Und jede Zeit bringt ihre Paradigmenwechsel: Was heute die Digitalisierung ist, war vor dreißig Jahren die Globalisierung, vor hundert Jahren die Elektrifizierung und vor hundertfünfzig Jahren die Dampfmaschine. Für die Bewältigung dieser Herausforderungen braucht der CEO einen anspruchsvollen Mix aus persönlichen und emotionalen Eigenschaften – Einfühlungsvermögen, Begeisterungsfähigkeit, ausgeprägtes (aber nicht unbalanciertes) Selbstbewusstsein und Durchsetzungsstärke, gepaart mit der Fähigkeit, in Systemen denken und agieren zu können.

Fünf universelle Herausforderungen der Unternehmensführung

Wir sehen fünf universelle Herausforderungen der CEOs:

  1. Ein CEO muss „Welten verbinden“ können. Er muss Komplexität erkennen und Wege zu ihrer Beherrschung aufzeigen sowie dort, wo es möglich ist, Simplizität jenseits der Komplexität erzeugen können.
  2. Eine wichtige Aufgabe des CEO besteht darin, alle Stakeholder des Unternehmens, intern wie extern, zu verbinden und zu inspirieren: Das kreative Potenzial von Mitarbeitern muss als Ressource für Innovation und Transformation erkannt, gestärkt und vernetzt werden. Der CEO muss in dieser Hinsicht eine Denkweise und einen Handlungsrahmen schaffen, die es der Organisation ermöglichen, größtmögliche Innovations- und Erneuerungskraft zu entwickeln.
  3. Ebenso geht es darum, Veränderungsprogrammen eine klare Bedeutung in der „Lebensgeschichte“ des Unternehmens zu geben: Dem „Aufruf zur Veränderung“ muss eine tiefere, emotionale Konnotation verliehen werden. Nur dann kann eine innere Verpflichtung weit über Programme und Prozesse hinaus erreicht werden. Dabei muss der CEO auch unter schwierigen Bedingungen standhaft in seinen Entscheidungen bleiben, ohne starrköpfig auf einer einmal eingenommenen Position zu beharren.
  4. Nach vorne blickend muss der CEO ausreichend Zeit darauf verwenden, die künftige Generation von Führungskräften zu entdecken, zu fördern und auf die Übernahme von Verantwortung vorzubereiten – die Talente von heute sind die Leader von morgen.
  5. Schließlich obliegt es dem CEO, das Unternehmen in der Gesellschaft zu verankern, sprich: den Geschäftszweck mit einem langfristigen Auftrag zur Schaffung von gesellschaftlichem Wert („Purpose“) zu verbinden und alle Handlungen und sämtliche Kommunikation darauf auszurichten.

Die Beschreibung des Anforderungsprofils zeigt, wie sehr sich die Rolle des CEO verändert hat. Zugespitzt formuliert, könnte man sagen: Wo früher eher ein Superheld gesucht wurde, braucht es heute eine Führungskraft, die vor allem andere dazu inspiriert, Spitzenleistungen zu erbringen.

Um im Klischee zu bleiben (selbst wenn die Wahrheit vielschichtiger und facettenreicher ist): In der „alten“ Welt war der CEO die dominante Figur, die den großen, strategischen Plan im Kopf hatte und sämtliches Agieren daraus ableitete. Das Denken war linear, das Ökosystem überschau- und kontrollierbar. Veränderung wurde von oben durch den CEO angeordnet, anstatt aus der Organisation heraus Schritt für Schritt entwickelt und umgesetzt zu werden. Scheitern war andererseits verpönt – geführt wurde von innen nach außen („inside-out“) und auf der Basis klar definierter Glaubenssätze.

Für eine bestimmte Zeit und mit Blick auf überschaubare Marktentwicklungen mochte diese Art von Führung ausreichend gewesen sein. In den volatilen, zunehmend disruptiven Märkten von heute jedoch, in denen bestehende Geschäftsmodelle durch technologischen Fortschritt fundamental hinterfragt werden, ist Führung im Sinne eines „Du machst dies, und Du machst das“ nicht mehr möglich. Gefragt ist vielmehr die Fähigkeit, das eigene Geschäft auch intellektuell in einen größeren Kontext zu stellen. Gefragt sind laterales Denken sowie das Vermögen, Ansatzpunkte aus unterschiedlichen Ökosystemen miteinander zu verknüpfen. Dass dies nicht ohne die maximale Einbindung vieler kluger Köpfe geht, sollte zum Grundverständnis moderner Führung zählen.

Der CEO führt zwar in der erwähnten „Letztverantwortung“ – und doch sprechen wir heute von einer „Distributed Leadership“ in dem Sinne, dass die Leistungsstärke und die Führungskraft anderer so weit wie möglich einbezogen werden. Das frühere „Top-down“ wird dabei zunehmend durch eine experimentelle, flexible Art der Führung abgelöst, die das Scheitern ausdrücklich zulässt und als Chance versteht, es beim nächsten Mal besser zu machen. Ausschlaggebend ist bei all diesem nicht die (zwangsläufig beschränkte) Binnensicht, sondern der Kundennutzen – dieser darf und sollte die eigene Mentalität im Sinne eines „Outside-in“ nachhaltig prägen.

Was erfolgreiche CEOs ausmacht, befindet sich ebenfalls im Wandel

Vor dem Hintergrund eines solchen, fast schon radikalen Anforderungswandels liegt es auf der Hand, dass das Klischee des Superhelden ins Industriemuseum gehört. An seine Stelle ist der „Spiky Leader“ getreten, der sich dadurch auszeichnet, gerade nicht in allen Bereichen gut zu sein oder gar jedes Detail zu kennen. Viel wichtiger ist, dass der CEO in der Lage ist, unterschiedliche Systeme miteinander zu verknüpfen und dabei immer zwei Stufen über das Tagesgeschäft hinauszugucken. Dazu einige Branchen­beispiele:

  • CEOs in der Automobilindustrie müssen nicht mehr nur die Kette „Entwicklung-Produktion-Absatz“ weiter strategisch und im technischen Detail optimieren, sondern werden zum Orchestrator von Lösungen im Bereich des individuellen Transports.
  • Die IT-Branche hat einen solchen Wechsel bereits mehrfach durchgemacht. Schon vor vielen Jahren wurde Hardware zur Commodity, und es kam zunehmend auf die Services an. Und auch das Digitalisierungsthema ist in der IT-Branche kein Automatismus, sondern ein teils schmerzhafter Change-Prozess. CEOs in dieser Branche müssen auf ganz besondere Weise offen sein für Unternehmenshistorie, Innovation und Talente.
  • In der Pharmaindustrie werden vorrangig CEOs benötigt, die einerseits das Thema „Innovation“ auf Basis auch firmenexterner Netzwerke moderieren, aber andererseits auch exzellent kommerzialisieren können. Tatsächlich entscheidet sich in der Pharmaindustrie oft in den ersten sechs Monaten nach dem Launch eines neuen Präparats, wie die Marktverankerung der nächsten zehn Jahre sein wird. Dieses hochkomplexe und in jedem Land unterschiedlich funktionierende Market-Access-Paradigma, das die Behörden, Erstatter, Ärzte und Patientenorganisationen umfasst, gilt es zu beherrschen. Dies sind völlig andere Themen, als etwa die Automobilindustrie sie derzeit hat.
  • Wieder anders in der Luftfahrtindustrie: Erfolgreiche Leader dort haben schon vor Jahren erkannt, dass es in absehbarer Zeit einen aggressiven Preiskampf geben würde. Dieser Preiskampf hat viel mit Liberalisierung, mit Deregulierung zu tun – nicht nur mit Digitalisierung. Fliegen ist ein zunehmend preiselastisches Massengut geworden.

Fazit: Der „Spiky Leader“ – weit davon entfernt, jedes Detail zu beherrschen – muss ein Gefühl für die komplette Breite dessen haben, was in den nächsten zehn Jahren auf ein Unternehmen zukommt. Das zeichnet ihn aus – aber genau dies macht für den Aufsichtsrat die Suche nach dem geeigneten CEO noch anspruchsvoller als ohnehin schon.

Aus dem vorher Gesagten wird ersichtlich, wie einzigartig das Anforderungsprofil des CEO ist. Was bedeutet dies nun für den Prozess der Nachbesetzung – wie muss der AR vorgehen, um die richtige Wahl zu treffen?

Der Beitrag ist erschienen in: Peter H. Dehnen (HG.), DER PROFESSIONELLE AUFSICHTSRAT: Spezialwissen für Ihre Überwachungspraxis. Frankfurt, Frankfurter Allgemeine Buch, 29. Januar 2019. Veröffentlichung auf unserer Website mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Themengebiete in diesem Artikel

Alle Folgen im Überblick

Folge 1: Die CEO-Nachfolge als einzigartige Herausforderung

Folge 2: CEO-Kompetenzen

Folge 3: Der Prozess der Nachbesetzung

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