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Digital

Unkontrolliert in die digitale Transformation?

Nur jedes zehnte Aufsichtsratsmitglied in Deutschland mit Digitalexpertise

  • November 2021
  • Erhebung zeigt: Fast die Hälfte der untersuchten Unternehmen aus DAX30, MDAX, SDAX und TecDAX verfügen über keine:n Digitalexpert:in im Aufsichtsrat (46 %). 
  • 24 Prozent der Unternehmen haben nur eine:n Expert:in in Aufsichtsratsfunktion, 12 Prozent zwei, neun Prozent drei und weitere neun Prozent vier oder mehr.
  • Digitalexpertise ist in DAX30-, MDAX- und SDAX-Aufsichtsräten gemessen an der Mitgliederzahl nahezu identisch unterrepräsentiert (10 – 11 %). In TecDAX-Unternehmen verfügt etwa jedes dritte Aufsichtsratsmitglied über digitales Knowhow.
  • 64 Prozent der Expert:innen verfügen über klassische Führungserfahrung (CEO/General Management), nur 19 Prozent in Spezialfunktion (CDO, CTO, CIO, CPO).
  • Digitalexpert:innen sind im Schnitt 1,9 Jahre jünger als ihre Mitstreiter:innen im Aufsichtsrat. Die Hälfte der Expert:innen befindet sich in ihren Fünfzigern. 
  • Fast jede:r Dritte der identifizierten Expert:innen (28 %) besitzt eine ausländische Staatsangehörigkeit.

BERLIN – 9. November 2021 – Die größten Unternehmen in Deutschland verfügen in ihrem Aufsichtsrat nur über wenig Digitalexpertise. Das ist das Ergebnis einer Studie der Leadership Advisory Egon Zehnder, die Daten von insgesamt 160 Unternehmen aus DAX30, MDAX, TecDAX und SDAX verglich. Demnach haben nur etwa die Hälfte der untersuchten Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen mindestens ein Mitglied mit ausgewiesener Digitalexpertise aufgestellt. In knapp jedem vierten Aufsichtsrat sitzt mehr als ein:e Digitalexpert:in. Als solche:r wurde gewertet, wer bereits eine Führungsposition in einem Tech-Unternehmen bekleidet oder als CDO, CIO oder in anderer Spezialfunktion digitale Prozesse verantwortet hat.   

„Im digitalen Umfeld müssen sich immer mehr Unternehmen komplett neu erfinden – in der Führung, in der Organisation und in der Arbeitsweise“, sagt Brigitte Lammers, Partnerin bei Egon Zehnder. „Es überrascht daher, dass sich diese Entwicklung noch nicht in deutschen Aufsichtsräten abbildet“, kommentiert sie die Ergebnisse. Besonders dramatisch lesen sich die Zahlen, werden sie in Relation gesetzt: Unter 1.552 Aufsichtsratsmitgliedern finden sich insgesamt 197 Expert:innen, was einen Anteil von 13 Prozent ausmacht. Digitalexpertise verteilt sich daher nur spärlich unter Deutschlands größten Unternehmen.

Digitalexpertise allerorts Mangelware – Tiefstwerte im Dienstleistungs- und Gesundheitssektor

Unterrepräsentiert sind Digitalexpert:innen der Untersuchung zufolge in nahezu allen Branchen. In vier Sektoren fallen allerdings im besonderen Maße Tiefstwerte ins Auge: der Finanzwirtschaft, der erzeugenden Industrie, dem Dienstleistungssektor und dem Gesundheitswesen. In jeweils weniger als der Hälfte aller Aufsichtsräte der entsprechenden Sparten findet sich Digitalexpertise. Auch numerisch bleiben Digitalexpert:innen zumeist stark in der Minderheit. So verfügen im Gesundheitssektor nur 12 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder über derartiges Spezialwissen. Unter 100 Aufsichtsratsmitgliedern von Dienstleistungsunternehmen finden sich rechnerisch sogar nur fünf Spezialist:innen für digitale Prozesse. „Die Ergebnisse müssen auch deshalb überraschen, da der Mangel an Expertise gerade diejenigen Branchen betrifft, die aktuell massiven digitalen Disruptionen ausgesetzt sind“, meint Lammers. „Insbesondere die Gesundheitsbranche erfindet sich angesichts neuer technischer Innovationen und gesellschaftlicher Entwicklungen derzeit komplett neu.“ Besonders skurril: Sogar unter Deutschlands größten Technologienunternehmen ist der Analyse zufolge Expertise im Bereich Digital und Technology unterrepräsentiert. Nicht einmal jedes dritte Aufsichtsratsmitglied von TecDAX-Unternehmen verfügt demnach über Führungserfahrung mit Digitalschwerpunkt.

Aufsichtsräte und Beiräte schaffen besonders dann einen Mehrwert, wenn sie neue Erkenntnisse einbringen, Innovationen befördern und Altbewährtes hinterfragen. Diversere Boards sind erfahrungsgemäß erfolgreicher.

– Brigitte Lammers

Wenig Diversität im Aufsichtsrat – auch beim Thema Digitalisierung

„Aufsichtsräte und Beiräte schaffen besonders dann einen Mehrwert, wenn sie neue Erkenntnisse einbringen, Innovationen befördern und Altbewährtes hinterfragen. Diversere Boards sind erfahrungsgemäß erfolgreicher“, sagt Brigitte Lammers. Wer also sind die Denker:innen, die den digitalen Wandel in deutschen Unternehmen fördern und begleiten wollen? „Unsere Analyse zeigt, dass Aufsichtsräte auch beim Thema Digitalisierung bisher nur wenig divers aufgestellt sind“, fasst es Lammers zusammen. 61 Prozent der identifizierten Digitalexpert:innen haben ihr Spezialwissen in (General-)Management-Funktion erlangt. Nicht einmal jede fünfte Koryphäe wurde als CPO, CDO, CIO oder CTO ins Board berufen (19 %). „Gerade im Kontext von Digitalisierung können Spezial-Manager:innen zum Beispiel aus Forschung und Entwicklung besonders wichtige Impulsgeber:innen sein“, ergänzt Brigitte Lammers.

Wenig Diversität zeigt sich außerdem im alters- und geschlechtsspezifischen Vergleich. Rund die Hälfte aller Expert:innen in Aufsichtsräten befinden sich in den Fünfzigern und sind damit im Schnitt unwesentlich jünger als ihre Mitstreiter:innen. Während reguläre Aufsichtsratsmitglieder im Schnitt 57,7 Jahre alt sind, fällt dieser unter den Expert:innen auf 55,8 Jahre. Frauen sind sowohl im Aufsichtsrat als auch unter den Expert:innen deutlich unterrepräsentiert: Weniger als jedes dritte Aufsichtsratsmitglied, das in der Studie als Expert:in identifiziert wurde, ist demnach eine Frau (27 %). Es bleibt die Hoffnung, dass das Zweite Führungspositionen-Gesetz, das im Sommer 2021 beschlossen wurde, diesen Missstand alsbald aufheben kann. Ein leicht diverseres Bild zeichnet die Statistik bei der Herkunft: Rund 28 Prozent der Digitalexpertise in deutschen Aufsichtsräten kommt von Mitgliedern mit ausländischer Staatsangehörigkeit. 19 Prozent der Personen stammen aus dem europäischen Ausland, 15 Prozent aus Übersee aus den USA oder Kanada und die restlichen drei Prozent aus dem weiteren Ausland.

Die Zahlen zeigen: Zu häufig wird versucht, alle Erwartungen an den digitalen Wandel in möglichst einer Person zu bündeln. Wir glauben aber, ein:e Digitalexpert:in im Aufsichtsrat ist nicht genug, um die Chancen unserer Zeit zu erkennen und zielgerichtet zu nutzen.

– Brigitte Lammers

Augenöffner für deutsche Unternehmen

„Die Zahlen zeigen: Zu häufig wird versucht, alle Erwartungen an den digitalen Wandel in möglichst einer Person zu bündeln. Wir glauben aber, ein:e Digitalexpert:in im Aufsichtsrat ist nicht genug, um die Chancen unserer Zeit zu erkennen und zielgerichtet zu nutzen“, resümiert Lammers. „Jeder und jede Einzelne im Aufsichtsrat muss zu digitalen Themen diskussionsfähig und bereit sein zu lernen – und das unabhängig von Alter und Funktion." Die Ergebnisse der Analyse legen nahe, dass deutsche Unternehmen hier noch einen langen Weg vor sich haben. Und doch gibt es Anzeichen für stille Hoffnung: Mehr als 30 Prozent aller untersuchten Unternehmen haben bereits zwei und mehr Expert:innen im Board. Rund 20 Prozent der Digital- und Technologieexpert:innen haben vor ihrer Berufung Spezialexpertise als CDO, CTO, CIO oder CPO sammeln können. Fast zehn Prozent der Unternehmen haben außerdem die Notwendigkeit eines Digital-Komitees für sich erkannt. 
 

Über die Studie

Egon Zehnder hat in seiner Studie die Daten von insgesamt 160 Unternehmen auf die Besetzung ihrer Aufsichtsräte untersucht. Die Daten umfassen alle gelisteten Unternehmen aus DAX30, MDAX, TecDAX und SDAX. Unternehmen mit mehrfacher Listung wurden einfach gewertet. Die Datengrundlage stammt aus Erhebungen von BoardEx im Januar 2021 und wurde durch Informationen aus öffentlich verfügbaren Pressemitteilungen, Geschäftsberichten und Unternehmensmeldungen ergänzt. Sie umfasst umfangreiche personenbezogene Informationen zu den Mitgliedern der Aufsichtsräte (unabhängige Directors, Anteilseignervertreter:innen und Arbeitnehmervertreter:innen), darunter Angaben zu Alter, Geschlecht, Nationalität und Biografie (u. a. Mitgliedschaft in Ausschüssen, Digital-/Technologie-Erfahrung und Werdegang). Als Digitalexpert:in wurde gewertet, wer bereits eine Führungsposition in einem Tech-Unternehmen übernommen oder in spezifischer Expert:innen-Funktion (z. B. CDO, CIO) digitale Prozesse, Forschung und Entwicklung oder sonstige Innovationen verantwortet hat.

 

Pressekontakt

Martin Klusmann
Egon Zehnder
Head of Corporate Communications Deutschland
martin.klusmann@egonzehnder.com
Telefon: +49 170 2360101

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