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CEOs

CEO-Karrieren: Viele Wege führen in den Vorstand

  • Juni 2025
  • 8 Min. Lesezeit

Was sind die Erfolgsfaktoren, um in den Vorstand eines Unternehmens zu kommen? Das wird Heiko Wolters immer wieder gefragt. Zeit für eine Analyse: Was die Lebensläufe der DAX-Vorstände über alte und neue Karrierewege verraten.

Wer an erfolgreiche CEOs großer, international aufgestellter Unternehmen denkt, stellt sich deren Karriereweg meist in etwa so vor: Studium an einer Top-Hochschule, Einstieg und schneller Aufstieg bei einem Großkonzern. Vielleicht dazu noch eine Portion Glück, gute Kontakte oder ein paar besonders erfolgreiche Projektabschlüsse – und dann, irgendwann, gelingt der Schritt nach ganz oben in die höchsten Führungsetagen.

Aber entspricht diese Vorstellung eigentlich (noch) der Realität? Und was genau unterscheidet eigentlich diejenigen, die es in den Vorstand schaffen, von denjenigen, denen dieser Sprung nie gelingt? Gibt es die eine Eigenschaft, die eine entscheidende Kompetenz oder den einen kritischen Punkt im Lebenslauf, der den Unterschied macht? Oder geht es am Ende einfach nur darum, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein?

Als Leadership Berater bei Egon Zehnder werden mir diese Fragen immer wieder gestellt. Schließlich berate ich regelmäßig große Konzerne und Familienunternehmen bei der Besetzung ihrer Vorstände und Governance-Gremien und begleite Onboardings sowie Transformationen im Leadership der Unternehmen.

Was braucht es also, um erfolgreich eine Karriere als CEO zu machen? Eine berechtigte Frage – die eine valide Antwort verdient, die auch, aber nicht ausschließlich, auf unserem persönlichen Erfahrungsschatz in unserem internationalen Executive-Search-Netzwerk beruht.

Daher haben meine Kolleg:innen und ich uns die Zeit für eine detaillierte Analyse genommen und mehr als 500 Lebensläufe von Vorstandsmitgliedern aus SDAX, MDAX und DAX-40-Unternehmen ausgewertet. Das Spektrum reicht also von Unternehmen mit wenigen hundert Millionen Euro Umsatz bis hin zu Konzernen mit dutzenden Milliarden Umsatz. Wir haben mit CEOs und Vorstandsmitgliedern aus unserem Netzwerk gesprochen – und auch die Sicht der Entscheider:innen aus Governance-Gremien wie Aufsichtsräten und Beiräten einfließen lassen, die über Vorstandsbesetzungen mitentscheiden.

Das haben wir herausgefunden:

  1. Die meisten CEOs sind in der zweiten Hälfte ihrer Karriere. 
    Auch wenn junge Ausnahmetalente wie Robert Gentz (CEO der Zalando SE, 41 Jahre alt), Christian Klein (CEO der SAP SE, 45 Jahre alt) oder Karin Rådström (CEO der Daimler Truck Holding, 46 Jahre alt) einen anderen Eindruck vermitteln könnten: Die CEO-Position wird von den allermeisten Kandidat:innen erst spät in ihrer Karriere erreicht. Bei durchschnittlichen Verweilzeiten von rund 6 Jahren in der Position und einem Durchschnittsalter der DAX-CEOs von rund 56 Jahren wird die CEO-Position eher am Ende der Karriere erreicht.

    Auch die Vorstandsmitglieder sind nur unwesentlich jünger: Ihr Durchschnittsalter liegt bei rund 54 Jahren. Nur knapp ein Siebtel der betrachteten Führungspersönlichkeiten auf oberster Ebene sind jünger als 50 und unter 1 Prozent sind unter 45. Diese finden sich nicht nur bei Unternehmen aus aufstrebenden neuen Branchen wie E-Commerce oder IT/Tech, wie man vermuten könnte, sondern es sind durchaus auch Kandidat:innen aus klassischen Industrien dabei – etwa bei Mercedes oder Siemens.
     
  2. Universität schlägt Fachhochschule – und Wirtschaftswissenschaftler:innen liegen in den Vorständen vorn. 
    Fast alle Vorstandsvorsitzenden haben ein Studium absolviert – 88 Prozent von ihnen an einer Universität. Nur 12 Prozent starteten ihre Karriere mit einem Studium an einer praxisorientierten Fachhochschule oder dualen Hochschule. Weitere rund 11 Prozent haben noch vor ihrem Studium eine Berufsausbildung absolviert und auf diese Weise früh Praxiserfahrung gesammelt.

    Auch bei der Auswahl des Studienfachs zeigt sich ein deutliches Muster: Wirtschaftswissenschaftler:innen (51 Prozent) und Ingenieur:innen (29 Prozent) mit Diplom- oder Masterabschluss liegen in den Vorständen klar vorn. Als „Kaderschmieden“ der Vorstandsetagen liegen die Universitäten Karlsruhe (KIT), Köln, Aachen (RWTH), Münster, Darmstadt und Mannheim vorn.
     
  3. MBAs und Doktortitel: Kein Muss, aber ein klarer Vorteil
    Mehr als die Hälfte der DAX-CEOs haben sich zusätzlich zum Studium weiterqualifiziert: Knapp 20 Prozent können einen MBA vorweisen. Mehr als ein Drittel der CEOs (36 Prozent) hat einen Doktorgrad erreicht. Allerdings: Bei den jungen Vorstandsmitgliedern ist dagegen fast niemand promoviert – ein Indiz dafür, dass es die jüngeren Absolvent:innen früher in die Praxis treibt als in der Vergangenheit.
  4. Single-Company-Careers: eher selten
    Rund ein Fünftel aller CEOs hat sich von Beginn ihrer Karriere bis zum Aufstieg in die Vorstandsetage innerhalb ein und desselben Unternehmens hochgearbeitet. Insbesondere innerhalb der Automobilbranche sind solche „Single-Company-Careers“ verbreitet: Ola Källenius etwa begann seine Karriere bei Mercedes 1993 im Trainee-Programm des Unternehmens und wurde 26 Jahre später CEO der Mercedes-Benz Group AG des Konzerns. Auch Oliver Zipse (BMW AG) und Oliver Blume (Volkswagen AG/Porsche AG) haben direkt nach dem Studium bei ihrem heutigen Arbeitgeber angefangen, dem sie heute vorstehen.

    Im Schnitt sind jedoch eher Karrieren wie die von T-Mobile-CEO Tim Höttges typisch: Er wechselte aus der Beratung zunächst zur Viag AG (heute Teil von EoN) und dann zu T-Mobile. Oder Björn Gulden, heute CEO von Adidas: Er arbeitete zunächst beim Schuhhersteller Deichmann, dann beim Schmuckhersteller Pandora und beim Sportartikel-Wettbewerber Puma, bevor er zu Adidas wechselte. Damit liegen beide voll im Schnitt: Die aktuellen DAX-CEOs haben vor ihrer heutigen Rolle im Schnitt zwei bis drei andere Unternehmen (2,3) kennengelernt.
     
  5. Auslandserfahrung: Ja, aber wenig regionale Vielfalt
    Fast zwei Drittel der DAX-Vorstände haben im Laufe ihrer Karriere im Ausland Erfahrung gesammelt. Die präferierten Länder der heutigen Vorstandsmitglieder waren dabei Europa (52 Prozent) und Nordamerika (30 Prozent). Stationen in Asien (13 Prozent) und Afrika (2 Prozent) sind in den Lebensläufen deutlich unterrepräsentiert. Nur sehr wenige Vorstandsvorsitzende haben in mehreren Regionen internationale Erfahrungen gesammelt.


Soweit also der Blick in die Lebensläufe. Er zeigt uns: Viele Wege führen nach Rom. Es gibt nicht den einen Königsweg, der sicher in einen Vorstand oder eine CEO-Position führt.

Das entspricht auch unseren Erkenntnissen bei Egon Zehnder. Wenn ich mir mit meiner Erfahrung aus dem Executive Search und der Leadership Beratung diese Ergebnisse anschaue, überraschen mich allerdings im „Praxischeck“ vor allem zwei Punkte.

Erstens: Ich hätte erwartet, dass inzwischen bereits mehr „Praktiker:innen“ aus den Fachhochschulen ihren Weg in die Vorstände gefunden haben. Schließlich haben die Fachhochschulen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich an Renommee gewonnen – unter ihnen finden sich teils hoch spezialisierte und moderne, international ausgerichtete Bildungsinstitutionen.

Dennoch, so legen es die Ergebnisse unserer Analyse nahe, bleibt das an den klassischen Universitäten geschärfte breitere, konzeptionelle und strategische Denken bei der Besetzung von Top-Führungspositionen gefragt – und toppt den unmittelbaren und frühen Praxisbezug, der an den Fachhochschulen gelehrt wird.

Das mag auch daran liegen, dass erfahrungsgemäß die fachliche Kompetenz vor allem auf frühen Karrierestufen zum Erfolg verhilft. Je höher Führungspersönlichkeiten nach oben steigen, desto wichtiger werden andere Kompetenzen als nur das klug angewandte Fachwissen: Erfolgreiche Vorstandsmitglieder müssen mit strategischem Geschick Einzelpersonen, ganze Teams und Stakeholder von ihrem Kurs überzeugen. Der erfolgreiche CEO versteht es, dem Unternehmen strategisch Orientierung zu geben und Teams als Quelle für Lösungen zu motivieren und zu mobilisieren.

Zweitens: Ich hätte erwartet, dass die DAX-CEOs mit Blick auf ihre Auslandserfahrung inzwischen breiter aufgestellt wären. Gerade mit Blick auf die aktuellen, volatilen und komplexen internationalen Wirtschaftsbeziehungen wäre dies sicherlich auch wünschenswert. Schließlich entwickelt ein Auslandsaufenthalt in besonderer Weise das kulturelle Verständnis – eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Führung in der jeweiligen Region.

Der Fokus auf Führungserfahrung primär in den etablierten westlichen Volkswirtschaften könnte so zur Schwäche werden. Insbesondere dann, wenn es darum geht, die Wachstumsmärkte in Asien oder Afrika zu erschließen.

Umso wichtiger ist es für Führungspersönlichkeiten, die einen CEO-Posten anstreben, an ihrer Fähigkeit zu arbeiten, vielfältige, komplementär besetzte und internationale Führungsteams aufzubauen.

Es geht zudem darum, nicht nur das eigene Renommee zu stärken, sondern auch Talente um sich zu scharen, sie zu fördern, wertzuschätzen und glänzen zu lassen. Agiert eine Führungspersönlichkeit primär zum eigenen Vorteil, steht das der Karriere entgegen. Ehrgeizige Führungstalente sollten also früh und konsistent in ihrer Karriere zeigen, dass sie teamorientiert agieren und Gefolgschaft erzeugen – und dass es ihnen gelingt, gemeinsam mit exzellenten Führungspartner:innen Impulse zu setzen und Impact zu haben.

Fazit: Persönliche Merkmale und Verhaltensweisen sind die entscheidenden Potenzialindikatoren.

In diesen Schlussfolgerungen liegt eine weitere wichtige Erkenntnis für alle, die sich auf den Weg machen, eine CEO-Karriere anzustreben. Denn diese Beobachtungen zeigen: Neben den Grundlagen (Studium, Promotion, Auslandsaufenthalte) sind es vor allem persönliche Eigenschaften wie Eigenmotivation und Leistungswille, Neugierde und Resilienz, die den Unterschied machen. Potenzielle CEOs haben den Wunsch, mit neuen Herausforderungen konfrontiert zu werden. Sie wollen lernen und sich weiterentwickeln – „on the job“ und durch persönliches Feedback.

Jede erfolgreiche Karriere braucht zudem Herausforderungen, um daran wachsen zu können. Dies beinhaltet oftmals enorme emotionale und physische Herausforderungen, die der Führungspersönlichkeit Anstrengungsbereitschaft abverlangen. Diese Faktoren machen aus einem gut ausgebildeten, führungserfahrenen Talent ein erfolgreiches Vorstandsmitglied. Sie erklären letztlich, wieso Personen mit – auf dem Papier – ganz ähnlichen Ausgangsvoraussetzungen im Laufe ihres Lebens völlig unterschiedliche Karrieren machen: Der oder die eine wird Vorstandsmitglied. Und der oder die andere verharrt im unteren oder mittleren Management.

Exkurs: Führungskarrieren im Start-up-Sektor

Abschließend möchte ich noch einen Blick auf die nachrückende Führungsgarde jenseits der Konzernwelt werfen: Zeichnen sich bei Gründer:innen und Entrepreneur:innen andere Ausbildungs- und Karrierewege ab als innerhalb der DAX-Konzerne?

Analysiert man die führenden Start-up-Unternehmen, darunter auch einzelne „Unicorns“ in Deutschland, zeigen sich interessanterweise gar nicht so große strukturelle Unterschiede zur Konzernwelt, wie man vermuten könnte. So haben die CEOs in erfolgreichen jungen Unternehmen ebenfalls fast alle einen Hochschulabschluss. Etwa die Hälfte hat einen Master, einige haben sogar promoviert.

Auch hier dominiert im Studium der wirtschaftswissenschaftliche Fokus, gefolgt vom Ingenieurwesen. Die Mehrheit der CEOs und Gründer:innen sammelt zunächst Erfahrungen als Angestellte, bevor sie sich selbständig macht. Dies kann auch Sinn machen, um verschiedene Managementstile kennenzulernen, sich von Vorbildern inspirieren zu lassen und Fehler woanders, als im eigenen Unternehmen zu machen und daraus zu lernen.

So hat etwa „Dauerentrepreneur“ Jan Beckers nach dem Studium zunächst als Angestellter bei Groupon gearbeitet, bevor er sich mit Hitfox selbständig machte. André Schwämmlein arbeitete nach dem Studium zunächst bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group, bevor er Flixbus gründete.

Nur wenige Start-up-CEOs haben direkt nach dem Studium gegründet – Beispiele sind etwa Valentin Stalf von der Digitalbank N26 oder Mario Kohle vom Solartechnikunternehmen Enpal. Diejenigen, die zunächst als Angestellte arbeiten, gehen aber sehr zügig, nach wenigen Jahren, in die Selbstständigkeit und suchen damit die stärkere unternehmerische Freiheit.

Gemeinsam ist in der Gesamtschau den Start-up- und den DAX-CEOs: Sie entscheiden sich frühzeitig, den Weg in die unternehmerische Verantwortung einzuschlagen. Eigenmotivation, Anstrengungsbereitschaft und Leistungswille, Neugierde und Resilienz führen sie ausgehend von dieser Entscheidung an die Spitze – und helfen ihnen, ihre Ziele zu erreichen.

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